Nach einer erholsamen Nacht, in die ich mit slowenischen Gesängen der Nachbarn gestartet war, ging es nun auf die erste Wanderung. Mir wurde eins ziemlich schnell klar: Ich war wieder einmal nicht trainiert, nicht vorbereitet auf hohe Berge. Es kam also, wie es kommen musste. Wir folgten ein kurzes Stück dem uns nun bekannten Soca-Pot, bevor wir abbogen und in neues Gelände aufbrachen. Aber erst einmal machten wir einen Abstecher, an dem ich nicht vorbeigehen konnte.

M hatte diesen kleinen Freund am Tag zuvor entdeckt. Er war ziemlich frech zu seinen Schafskumpeln auf der Wiese, aber gleichzeitig auch ziemlich süß zu uns. Nach einer kurzen Streicheleinheit zwischen den langen Eselohren, ging es dann an die eigentliche Wanderung.
Eigentliche Wanderung kann man es nicht nennen, denn wir hatten offiziell kein Ziel. Wir ließen uns treiben. Ich glaube genau das war der Grund, warum mir die Wanderung so schwer fiel. Zunächst begann alles ganz nett, über Wiesen, am Fluss entlang und los. Aber dann trafen wir auf eine alte Straße, die uns stetig bergan durch ein Tal führte. Es gab keine Ausblicke, es gab nur diese Straße. Es zermürbte mich über etliche Kilometer.
Dann mussten wir die Entscheidung treffen: Entweder weiter den Berg hinauf – nun auch wesentlich hübscheren Pfaden – oder umdrehen. Weitere Kilometer hinauf, und weiter hinauf, und immer weiter hinauf. Höhenmeter um Höhenmeter, ohne ein Ziel zu haben. Der Ausblick wurde schöner, der Weg schmaler und steiniger.

Und irgendwann kam ich an den Punkt, an dem mir klar wurde, dass ich hier nicht weiterlaufen brauchte. Irgendwann wäre man auf einer Hütte angekommen, aber bis dahin waren es noch viele Höhenmeter. Irgendwann wäre man auf dem Triglav angekommen, aber da wollte ich ja auch gar nicht hin. Zumal die Zeit des Tages dann nicht mehr ausgereicht hätte, um wieder hinunter zu wandern. Ich entschied mich fürs Umdrehen.

Wanderungen brauchen für mich offensichtlich ein klares Ziel. Nein, der Weg ist nicht das Ziel. Ich muss vorher wissen, worauf ich mich einlasse: Wie viele Kilometer laufen wir? Wie viele Höhenmeter machen wir? Was gibt es zur Belohnung? Und wenn es der Ausblick vom Gipfel ist oder eben eine Limo an der Berghütte. Beim Runtergehen wurde uns übrigens erst richtig bewusst, wie weit wir diesen Weg schon hinter uns gebracht hatten.
Soca-Pot: Korita Mlinarice & Kugy Denkmal
Am nächsten Morgen war ich alleine im Bus. M war mitten in der Nacht gestartet, um den Sonnenaufgang zu fotografieren. Ich startete mit unserem altbekannten Frühstück in den Tag: Müsli. Um 8 Uhr hielt ich es nicht mehr aus und zog doch noch einmal die Wanderschuhe an. Die Nachbarn schliefen noch alle, während ich den Campingplatz verließ und mich auf dem Soca-Pot in die bisher noch unbekannte Richtung auf machte.
Es war ein herrlich schöner, frischer Morgen. Das Tosen des Flusses übertönte alle anderen Geräusche. Da hätten sich die Wölfe für einen Angriff nicht mal die Mühe des Anschleichens machen müssen, ich hätte sowieso nichts gehört. Es kamen keine Wölfe, keine Bären, keine Hirsche. Nicht einmal Vögel waren zu sehen oder zu hören. Nur der Fluss und ich. Am Ufer blieb ich immer wieder stehen und staunte bei jeder Gumpe wieder aufs neue über dieses klare Wasser.
Irgendwann musste ich mich entscheiden, ob ich weiter auf dem Trail laufen oder einen Abstecher zu den beiden Aussichtspunkten machen wollte. Ich wusste nicht, was mich erwarten würde und verließ den Flussweg, um dem Pfad zu einer Aussichtsplattform zu folgen. Hier hielt ich mich nicht lange auf, obwohl der Fluss aus dem Berg und die hohen Felswände wirklich beeindruckend waren. Die Dimensionen sind auf dem Foto wieder einmal gar nicht erkennbar. Hier herrschte allerdings Steinschlaggefahr – also nichts wie weg.
Wieder zurück auf dem Weg, bog ich kurzerhand noch einmal nach links ab. Hier traf ich den Botaniker Kugy, bzw. sein Denkmal. Er schaut nun wohl für immer auf seinen geliebten Berg. Ich kanns ihm nicht verdenken. Die Aussicht war großartig. Jemand hatte kurz vor dem Denkmal ein riesiges Grundstück mit Haus erworben. So ließ es sich ganz bestimmt gut leben.
Meine Entscheidung war gefallen. Heute wollte ich nur eine ganz kurze Strecke zurücklegen und mich von der ziellosen Wanderung am Vortag etwas erholen. Daher warf ich noch einen letzten Blick auf die Bergketten und machte mich dann wieder zurück auf den Weg zum Campingplatz.
Bis hierher hatte ich keinen einzigen Menschen getroffen. Selbst an der Straße, wo ich vorher ein wenig planlos rumstand, fuhr nur ein Auto vorbei. Beim Haus am Kugy war ebenfalls niemand zu sehen. Erst als ich fast wieder zurück am Campingplatz war, kamen mir ein Jogger und kurze Zeit später ein Paar entgegen. Als ich dann auf dem kleinen Aussichtspunkt stand und auf den Campingplatz schaute, wusste ich auch, was los war: Die Leute waren gerade erst alle aus ihren Campern gestiegen. Es roch nach frischem Kaffee.