The Circle

Jeden Tag tippen Millionen Menschen Posts in den Sozialen Netzwerken. Sachen die belangloser nicht sein könnten. „Oh, der erste Schnee“-danke, wenn ich nicht rausgeschaut hätte, wäre mir das gar nicht aufgefallen. Mindestens genauso viele sehen die Welt nur noch durch den kleinen Bildschirm ihres Handys. Am besten wird auf das fotografierte Mittagessen noch schnell ein Instagramfilter gelegt. Oder auf das obligatorische „ach-schaut-wie-müde-ich-bin-Selfie“ am Morgen. Snapchat wird gestartet, es wird gejodelt, Videos über Youtube geschaut und Spotify läuft von morgens bis abends.

Neulich habe ich schon ein Bericht zu einer Jugendlichen die fast 16 Stunden am Tag das Handy in der Hand hat in der Süddeutschen Zeitung gelesen. Ich war schockiert. Aber eigentlich ist doch genau das normal geworden, oder? An der Bushaltestelle sitzen Leute, alle starren aufs Handy. Selbst wenn Leute durch die Stadt gehen verstecken sie sich hinter dem Bildschirm, den Blick immer gesenkt. Niemand redet mehr miteinander. Auf Konzerten beschweren sich die Künstler, dass nur noch gefilmt wird. Keiner nimmt mehr den Moment wahr.

J hat mir nach dem Drogenbuch ein neues in die Hand gedrückt. Es ist aus Papier, mit echten Seiten. Ich war nie ein Fan von E-Readern.  Zuerst war ich skeptisch, aber mit jeder Seite war ich überzeugter von dem Buch. Nicht, weil es wunderschön ist, sondern entsetzlich. The Circle beschreibt ziemlich genau das, wovor ich mich ein bisschen fürchte. Der Strudel der neuen Medien.

„Das haben Geheimnisse so an sich. Sie sind wie Krebs, wenn wir sie in uns behalten, aber harmlos, wenn sie draußen in der Welt sind.“

-Dave Eggers: Der Circle

Es geht in dem Buch darum, das Mae bei einem Unternehmen anfängt, welches für vollkommene Transparenz steht. Sie gerät immer weiter in die Fänge der Arbeitgeber-bearbeitet bald auf 5 Bildschirmen gleichzeitig Anfragen, versucht sich im sozialen Bereich zu partizipieren, trägt eine Kamera um den Hals, die jeden ihrer Schritte aufzeichnet. Eigentlich lebt sie nur noch für den Circle. Sie hat keinerlei Privatsphäre und Geheimnisse mehr, sie ist nackt, beugt sich den Vorstellungen der anderen. Sie „lebt“ auf dem Campus. Es klingt wie eine Sekte.

„Finden Sie es in Ordnung, dass Sie denen vorenthalten haben, was Sie gesehen haben?“

– Dave Eggers: Der Circle

Ich habe nichts gegen Kameras in Großstädten an öffentlichen Orten, sie dienen zur Sicherheit. Ich habe auch nichts gegen Webcams an Stränden, um zum Beispiel die Wetterbedingungen zu checken. Aber wenn ich mir vorstelle wie Mae in einigen Jahren eine Kamera zu tragen, die mich vollkommen durchsichtig macht, graust es mir.

Stellt euch vor, jeder eurer Schritte wird beobachtet. Jeder könnte in Echtzeit sehen, was ihr gerade macht und dieses dann auch noch kommentieren. Manchmal vielleicht schön, wenn man Videos des wunderschönen Strandurlaubes in Mexiko mit Freunden teilen kann-aber es der ganzen Welt zugänglich machen? Man wäre gar nicht mehr man selbst, denn man würde jeder seiner Bewegungen genau abwägen, überlegen, ob das Verhalten, was gerade sichtbar ist, auch der Norm entspricht. Es gäbe keine Geheimnisse mehr.

Mittlerweile finde ich es schon Scheiße, wenn Whats App meine Daten an Facebook weitergibt oder mir klar wird, dass meine Daten auf dem Handy eigentlich für jeden, der sich ein bisschen auskennt, sichtbar sind. Und es kennen sich mittlerweile bestimmt ziemlich viele Menschen mit solchen Sachen aus. Was hilft es uns alles mit allen zu teilen? Was macht eigentlich den Reiz aus so viel Anerkennung von Fremden zu bekommen wie nur möglich?

Bei Facebook, Instagram, Youtube und Snapchat sehen unsere Leben glücklich aus. Wir sind makellos, ohne Fehler und ohne Traurigkeit oder Sorgen. Wir malen uns ein zweites Ich, worauf andere neidisch sein können. Wir sind nicht mehr wir selbst. Wir beginnen transparent zu werden. Stück für Stück.

3 replies to “The Circle

  1. So ein klein wenig geht es ja bereits in diese Richtung, wenn wir mal die B- bis Z- Promis anschauen. Die machen ja ihre Home Stories inzwischen in inflationärer Anzahl selbst. Mit null Aussage, aber sie finden immer noch ihr Publikum/ Follower.
    Ich glaube auch, viele realisieren gar nicht, wie öffentlich sie mittlerweile sind.

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    1. Ist das nicht total gruselig? Ich finde es irgendwie beängstigend, wenn ich Leute sehe, die sich gar keine Gedanken darüber machen, was sie alles von sich preisgeben. Das sind teilweise auch gar keine berühmten Menschen, sondern Leute wie du und ich.
      Jetzt, nachdem ich heute das Ende des Buchs gelesen habe, konnte ich wirklich nur den Kopf schütteln…

      Gefällt 1 Person

      1. Es ist definitiv gruselig. Am besten finde ich dann immer noch diejenigen, die in jede Medienkritik einstimmen. Dabei liefern sie (sich) selbst…

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