Lichtblicke

Meine Augen starren an die Decke unseres Wohnzimmers. Ich liege auf dem Boden und bin unzufrieden. Immer häufiger habe ich diese Unzufriedenheit in mir. Draußen ist das Wetter grau, nass und kalt. Jeden Tag gibt es eigentlich immer nur eins: Arbeiten. Wenn ich dann mal Zeit habe, ein bisschen frei, dann liege ich erst einmal eine halbe Stunde auf dem Boden und tue meine Unzufriedenheit kund.

Alles was mir sonst Spaß gemacht hat, erscheint mir in diesen Moment zu anstrengend oder zu langweilig. Ich nerve mich mit dieser Unzufriedenheit selbst unglaublich, aber andere sogar bis ins Unermessliche. Es gibt aktuell nur wenig gute Neuigkeiten. Es ist eine anstrengende Zeit für uns alle.

Kein Urlaub. Keine Abwechslung. Kein Tapetenwechsel. Es ist jammern auf sehr hohen Niveau. Schließlich bin ich ja gesund, schließlich habe ich eine tolle Wohnung, schließlich habe ich genug zu essen und Zugang zu fließend sauberen Wasser. Und trotzdem macht sich die Unzufriedenheit in mir breit. Es fühlt sich an wie eine leichte Tagesdepression oder zumindest stelle ich mir das unter den Symptomen vor. Freud- und Interessenverlust und diese Antriebslosigkeit. Schlechter Schlaf, komische Träume. Keinen Hunger auf irgendwas. So geht das manchmal ein paar Minuten, manchmal zwei Tage, bevor es wieder besser wird.

Das Dünnhäutig werden, lässt mich auch generelle Entscheidungen überdenken: Warum mache ich die Ausbildung? Jetzt habe ich schon so viel Zeit und Energie reingesteckt und bin immer noch nicht fertig. Aber zum Aufhören bin ich zu weit. Und aufhören will ich ja auch gar nicht. Ich will nur endlich mal etwas mehr Ruhe, etwas weniger Stress, nicht immer dieses hin und her hetzen und unter Zeitdruck stehen. (Und vor allem will ich mal wieder in den Urlaub.)

„Und nun die Wettervorhersage für Montag, den 22. März.“ Plötzlich höre ich von Lichtblicken. Erst nur beim Wetter, aber ich sammle sie auch für mich ein. Feinsäuberlich schnappe ich sie vom wolkenverhangenen Himmel und sammle sie im Sonnenglas.

Was ich schon alles erreicht habe. Was ich alles habe. Was alles Spaß macht im Leben. Ich rapple mich vom Boden auf. Denn ich habe zu tun. Ich muss Lichtblicke entdecken.

10 replies to “Lichtblicke

  1. Du hast recht: wir müssen uns an den kleinen Lichtblicken erfreuen. Keine Fernreisen? Dann müssen wir vielleicht unsere Umgebung neu entdecken. Keine Abwechslung? Dann müssen wir uns welche schaffen: lesen, Briefe schreiben, Tomaten züchten am Balkon. Kein Tapetenwechsel? Die Baumärkte haben gerade geöffnet. Vielleicht hilft es ja, wenn wir unser „altes“ Leben wieder neue entdecken…

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  2. Boah, du sprichst mir aus dem Herzen! Was man zu Hause nicht noch alles tun könnte… vor Corona war es die fehlende Zeit und jetzt ist es irgendwie der Überfluss ab eben dieser… wenn ich jetzt schon alles erledige, es mach ich dann im nächsten Lockdown?

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    1. Bei mir ist es leider keine Zeit im Überfluss. Bei mir ist es noch immer zu wenig Zeit 😦 Und durch den ganzen Stress, der so mit Arbeit und Weiterbildung einhergeht, kann ich danach meist nie richtig entspannen. Aber bald sind ja erst einmal ein paar freie Tage 🙂

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