Longing

Das englische Wort für dieses Gefühl passt so gar nicht. Meine Meinung. Sehnsucht (von mittelhochdeutsch sensuht, als „krankheit des schmerzlichen verlangens“) ist ein inniges Verlangen nach Personen, Sachen, Zuständen oder Zeitspannen. Sie ist mit dem Gefühl verbunden, den Gegenstand der Sehnsucht nicht erreichen zu können. Wikipedias Meinung. Die Weihnachtszeit in diesem Jahr reaktiviert viel Sehnsucht. Nach Sachen, Zuständen, Personen und Zeitspannen. Während ich sonst in der Vorweihnachtszeit einfach immer Harry Potter-Filme durchgeschaut habe, widerwillig auf Weihnachtsmärkten Menschen getroffen habe, gemütlich Brettspiele gespielt habe, ist dieses Jahr alles anders. Weil 2024 einfach anders ist.

Die Sehnsucht greift nach allen Erinnerungen, die gut waren. Die schön waren. Alles, was sie zu fassen bekommt. Alpenpanorama im Fernsehen schauen: Klar, da sticht es direkt im Herzen. Wo ich schon überall gewesen bin. Im Tannheimer Tal, in Oberstaufen, im Karwendel, im Zillertal, im Stubaital, am Achensee, in der Steiermark, in den Dolomiten. Österreich und das Allgäu sind abgegrast. Während ich die verschneiten Bergspitzen sehe, zieht’s mir das Herz zusammen. Ich will am Liebsten direkt wieder hinein in die Berge. Urlaub machen. Den VW Bus beladen. Wandern gehen. Diese Bergstille hören, nichts außer Gipfelketten und Weite sehen. Mich über den Tannenhäher freuen, den Mauerläufer versuchen zu finden.

Es sind hauptsächlich die Reisen, die solche Sehnsucht auslösen. Die ganz besondere Winterluft auf Mallorca wieder riechen wollen, das tiefblaue Meer sehen. Im den Wellen an der Algarve hüpfen, Frühstücken in der Bustür mit Sonne im Gesicht. Bouldern in Albarracin bei viel zu warmen Wetter. Auf Klippen stehen, auf Gipfeln stehen. Gänsehaut bekommen, wenn man aus dem frischen See heraus steigt. Nackt ins salzige Meer springen. Geier auf Augenhöhe beobachten, die Blaumerle schimmernd im Sonnenlicht. Kitschige Sonnenuntergänge. Kitschige Sonnenaufgänge. Bleibt alles Sehnsucht. Ein Verlangen nach etwas, was nicht erreicht werden kann. Denn nicht nur Ernie ist weg, meine Begleitperson ist es auch.

Neben den Zeitspannen, neben den Orten gibt es noch ganz andere Sehnsüchte. Ich habe Sehnsucht nach Stabilität und Sicherheit. Jemand, oder mehrere jemande, die mir eine Stütze sein können. Menschen, die mich wieder ins Lot bringen. Ich weiß um meine Leute. Ich fühle mich wohl mit ihnen. Wandern, bouldern, Essen gehen, Kaffee trinken, selbst auf den doofen Weihnachtsmarkt kann ich mit ihnen gehen. Und trotzdem sitzt die Sehnsucht weiterhin wie ein entzündeter Splitter im Herzen. Die Sehnsucht ist ein fieses Gefühl. Sie lässt zweifeln. Sie lässt zögern. Sie lässt verlangen.

3 replies to “Longing

  1. Was es nicht alles für Begriffe gibt… 🙂

    Aus Sehnsucht nach Vergangenem wird irgendwann Erinnerung. Und bei der Sehnsucht nach Zukünftigem – da wirst Du was finden, steckt schließlich „suchen“ in Sehnsucht. 🙂

    Gefällt 1 Person

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