Ruhe

Vor ein paar Monaten war ich am Meer und das fast jeden Tag. Füße im Sand und dieses ganze kribbelige Salz auf der braunen Haut. Trotzdem fühlt es sich an, als wäre das schon wieder Jahre her. Seit August wohne ich am kleinen Meer oder dem „Schwabenmeer“, wie der Bodensee auch genannt wird. Gestern und heute fegt hier eine steife Brise. So gar kein Föhn-Wind, wie er doch so oft beschrieben wird. Bis auf den frischen Wind, lassen sich zwischen dem großen See und dem Meer dann aber auch nur wenige Gemeinsamkeiten finden. Die Wellen fehlen. Die Weite fehlt. Die Möglichkeit auf den Horizont zu starren. Keine Steilküste und keine Strände.

Der Landkreis und die Stadt Konstanz bereiten sich auf die Winterruhe vor. Das kenne ich sonst nur von kleinen Orten an der Ostsee. Restaurants und Hotels machen dicht. Die Menschen holen ihre Boote in den Garten, bevor die herbstlichen Stürme kommen. Der Fährbetrieb wird mancherorts ganz eingestellt. Für mich (außerhalb von Konstanz) wird es damit noch ruhiger. Keine Touristen mehr auf Fahrrädern, keine vollen Bistros und nur noch vereinzelte Wohnmobile auf den Stellplätzen.

Während ich mich ebenfalls in eine herbstliche Ruhe bei einem Spaziergang begebe, entdecke ich noch eine winzige gemeinsame Kleinigkeit: Möwen. Es sind nicht viele, aber fast jeder Pfahl am Hafen ist heute mit ihnen belegt. Kein Möwengeschrei, hier geht es sittlich zu. Es wird sich geputzt oder geschlafen.

Gestern hatte ich noch Glück mit dem Wetter. Mein kleiner Spaziergang wurde von Sonne begleitet. Heute dachte ich, könnte ich mal ins Ried fahren, um den Silberreiher zu fotografieren. Jeden Vormittag fahre ich an ihm vorbei. Immer steht er an der gleichen Stelle. Immer ist er auf der Suche nach Fischen. Heute fuhr ich mit dem Rad los, während sich der Himmel ärgerlich zeigte. Er entlud seinen Frust auch ziemlich schnell, nämlich genau dann, als ich auf der Beobachtungsplattform ankam.

Ein Regenschauer nach dem anderen ergossen sich über mir und meinem Rad. Aus Trotz schaute ich dem Reiher dennoch kurz zu. Pitschnass fuhr ich wieder zurück nach Hause. Ratet mal, wann es aufgehört hat zu regnen. Seit dem hat es auch nicht wieder angefangen.

14 replies to “Ruhe

  1. Es ist über 20 Jahre her, dass ich mal am Bodensee war. Ich erinnere mich an eine schöne, gepflegte Landschaft rund um den See und sehr teure Restaurants. In Meerburg essen zu gehen, muss man sich schon leisten können. Und ich weiß noch, dass der Fisch im Bodensee Felchen heißt. Mit den Stränden an der Ost- und/oder Nordsee ist die gegend rund um den Bodensee allerdings überhaupt nicht zu vergleichen.

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  2. Ich lebe am Meer und bin so selten dort. Als die Kinder klein waren, lebten wir für ein Jahr in Laboe. Im Sommer so touristisch wie am Schwabenmeer, im Winter einsam und dunkel. Ich habe diesen Gegensatz sehr geliebt.
    Ich war im Drühling am Schwabenmeer und einmal auf einem Ausflug am Rheinfall. Der hat mich mehr beeindruckt als die Ostsee:)

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      1. in Laboe war ich auch mal, allerdings nur wegen dem Uboot. Ich verbinde mit dem Ort auch bloß diesen seltsamen Denkmal-Haken.
        Der Pinguin mit dem Wackelkopf und „Laboe“ quer auf der weißen Brust kam wesentlich später zu mir. Ich hab ihm die Buchstaben beim dringend benötigten Bad abgeschrubbt und seitdem heckt er was aus mit den anderen Vögelchen im Bücherregal. Da wohnt er und nickt manchmal weise.

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  3. Ja, die Weite fehlt mir hier am See tatsächlich auch, obwohl ich unser „Kleines Meer“ auch liebe. Gerade in den Wintermonaten mag ich es sehr am See zu sein. Dann wenn es ruhig hier ist und die Natur sich zeigen darf.
    Ich wünsche Dir eine gute Zeit und schicke liebe Grüße an‘s andere Ende des Sees
    Daniela

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      1. Du musst halt die richtige Stelle finden. Der Bodensee ist ja mehr lang als breit. Fahr mal ein Stück Richtung Lindau (kenne ich aus der Serie „die Toten vom Bodensee“), da gibt es deutlich mehr Horizont in deutlich breiterer Ferne.

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