Die drei Zinnen [Südtirol, Italien]

Ein kurzer Zwischenstopp in Italien. Warum fährt man nach Italien? Genau, wegen des guten Wetters. Südtirol kann da aber nur lachen. Während wir auf dem Weg Richtung der drei Zinnen sind, verdüstert sich der Himmel. Bei einem Mittagspäuschen am See entleert sich dann auch noch der gesamte Regen auf dem Busdach. So viel Regen – es scheint beinahe, als hätte jemand den See auf den Kopf gestellt und das Wasser fließt nun so heraus. Auf besseres Wetter zu warten, lohnte sich aber nicht. Also quälten wir unseren Bus mal wieder den Berg hinauf. Hoch wollte eigentlich um diese Mittagszeit kaum jemand mehr. Nur runter fuhren immer mal wieder Wohnmobile.

Oben angekommen gab es die nächste Pause. Und dann sogar eine Regenpause. Die Chance nutzten wir, um die Zinnen Umrundung zu starten. Drei Stunden sollte die Wanderung gehen. Wahnsinnig schöne und imposante Aussichten wurden versprochen. Nur von grauen Wolken hatte keiner etwas gesagt.

Es waren erstaunlich wenig Menschen unterwegs. Das lag wohl hauptsächlich daran, dass wir erst am Nachmittag gestartet waren, aber wahrscheinlich auch am Wetter. Allerdings punktete das ganz schön bei mir. Die drei Zinnen ohne viele Menschen! Wow. Sehen konnte man sie ja trotz Wolken, auch wenn meist nur so bis zu Hälfte. Aber imposant sahen sie in jedem Falle aus.

Im Tal trafen wir dann doch tatsächlich die altbekannten Freunde. Murmeltiere, wohin man schaute. Sie waren erstaunlich wenig scheu. Bei einem der kleineren Murmeltiere, konnten wir sogar auf der Wiese sitzen, ohne das es sich daran störte. Andere waren skeptischer und schrieen einen förmlich an, sobald man ihre Komfortzone betrat. Richtig so. Hier kamen sicher unzählige Menschen tagtäglich vorbei. Da musste man sich zu wehren wissen.

Steil bergauf ging es dann wieder Richtung Parkplatz. Mittlerweile hatte sich der Nebel über den Berg geschoben und ins Tal gelegt. Er verschluckte alles: Landschaft, Sicht, Worte. Ob M in 20 Metern Entfernung jetzt den Hügel hinauf kam oder nicht, sah ich nicht mehr. Nachdem die Dullis ihre Drohne landen lassen hatten, wurde es unglaublich still. Es gab einfach nichts mehr zu hören. Wie taub oder in dicker Watte gepackt, stapfte ich also den Berg weiter hinauf. Selbst die drei Zinnen waren verschluckt wurden. In der Nähe der Hütte/des Parkplatzes kamen dann auch wieder mehr Leute ins Blickfeld. Nicht nur, weil der Nebel sich lichtete, sondern auch, weil die meisten Menschen wohl einfach nicht weit laufen.

Eine Nacht unterhalb der drei Zinnen zu verbringen, klingt sehr abenteuerlich und sehr romantisch. Diese schönen Adjektive passen allerdings so gar nicht zu diesem Stellplatz. Zugeparkt bis zum letzten Platz und weit darüber. In der Nebensaison. Bei schlechtem Wetter. Türe schlagen spät abends, Ankünfte noch bis tief in die Nacht und morgens um 6 Uhr lärmend Kaffee kochen. Nach einem kleinen Morgenspaziergang saß ich bei Tee und Brot im Bus und schüttelte unentwegt den Kopf.

Seit 20 Minuten dreht sich eine junge Frau mit falschem Lachen und Kaffeetasse in der Hand im Kreis. In einem dünnen Pulli, denn die dicke Jacke passt nicht gut zur Aussicht. Fotos werden geschossen, dann ein schneller Blick. Unzufriedenheit, noch einmal im Kreis drehen. Mir tun meine Wangenmuskeln schon vom Zugucken weh. Später wird von ihren Nachbarn noch ein Instagram Reel zum Kaffeeaufguss gedreht. Ich frage mich, ob sie ihren Kaffee auch genießen, denn die Tasse wird zur Hälfte ausgetrunken, wenig später die Böschung herunter gekippt. Zahnpastareste bilden sowieso schon überall weiße Markierungen auf dem Rasen. Außerdem haben viele Menschen Steine zusammengesucht und ihre Namen damit gelegt. Ich blicke auf die Berge und lese nun „Marie“ und „Auriel“ im Augenwinkel. Es macht sich der Drang in mir breit hinzugehen und alles auseinander zu treten. Die Steine wieder unordentlich zu verteilen, so wie es sich gehört. So zerstörerisch bin ich sonst eigentlich nicht.

Lange hielten wir es dann also nicht mehr an den drei Zinnen aus. Ja, die kann man sich mal anschauen. Ja, sie sind sehr spektakulär. Aber der Ort ist einfach zu überrannt. Millionen Menschen kommen, nur um drei Meter zu laufen, sich vor eine Kulisse aus Bergen zu stellen und anderen Menschen weis machen zu wollen, was für ein perfektes Leben sie hier gerade leben. Wie gut der Kaffee schmeckt und das sie an diesem magischen Ort die Ruhe genießen.

7 replies to “Die drei Zinnen [Südtirol, Italien]

  1. Das hört sich ja gar nicht gut an ! Ich war schon 3 x an den Drei zinnen und hatte 2 x bombastisches Wetter. Übernachtet habe ich immer auf der Drei Zinnen Hütte die natürlich auch überlaufen ist. Die Umrundung habe ich noch nicht gemacht aber dafür den Paternkofel bestiegen.
    Was ich bestätigen kann, ist der Umstand dass die Gegend natürlich sehr überlaufen ist, zumal man ja hochfahren kann bis zur Auronzo Hütte. Was das Parken und Übernachtung im Wohnmobil betrifft kann ich nicht mitreden.
    Landschaftlich ist die Gegend ein Traum und was man nicht versäumen darf ist der Sonnenuntergang von der Drei Zinnen Hütte aus.
    Schade das du Pech hattest mit dem Wetter.

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    1. Letztendlich natürlich sehr schade, dass man keinen Sonnenuntergang oder -aufgang sehen konnte, aber auch dieses Nebelwetter hatte irgendwie was. Du hast aber schon ordentlich etwas gesehen dort oben. Und ich denke in der Hütte zu übernachten ist bestimmt etwas gemütlicher, als mit den Campingnachbarn. Aber vielleicht hatte ich da auch einfach nur Pech. Manchmal steht man ja leider doch neben sehr vielen komischen Menschen und alle anderen sind vollkommen in Ordnung.

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  2. Deine Bilder sind sehr eindrucksvoll und ich schaue sie mir 100% lieber an, als Bilder. von kaffeetrinkenden Damen vor einer Bergkulisse. Ich gehöre sowieso zu den Fotografen, die auf ihren Urlaubsbildern, bis auf einige kleine Ausnahmen, nicht zu sehen ist.
    VG
    Christa

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  3. Ja, das Wetter kann launisch (und gefährlich) in den Bergen sein.
    Menschen auch.
    Aber allein die Murmeltiere hätten es bei mir rausgerissen. Da wo ich damals gewandert bin, waren sie scheu.
    Liebe Grüße
    Nina

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