Felsenherz

Knackende Äste unter den Schuhen. Laub, was bei jedem Schritt raschelt. Die Sonne, die durch die gerade erst grünen Bäume fällt. Ich stolpere über Steine, Böschungen hinunter, springe über umgestürzte Bäume. Ich folge. Immer Schritt haltend mit den jungen Männern vor mir.

Der eine der beiden ist mein Bruder. Ausgestattet mit der Bouldermatte auf dem Rücken. Der andere ist ein junger Kerl, den ich irgendwann mal zwischen vielen Menschen aufgesammelt habe. Irgendwann, als viele Herzen schlugen und ich mir nur dieses eine ausgesucht habe. Seitdem möchte ich ihn nicht mehr gehen lassen. Ich weiß, dass das irgendwann so kommen wird und kommen muss. Es kann jeden Tag passieren. Er wird einfach verschwinden, ohne ein Wort. Als hätte es ihn nie gegeben. Und umso fester man sich an eine Person klettet, umso größer die Lücke, die er hinterlässt.

Diese ruhige Art macht ihn zum Ruhepol. Dieser trockene Humor lässt mich immer wieder schmunzeln. Er nimmt sich selbst nicht ernst.
Wenn er neben mir steht, dann möchte ich am liebsten meine Hände mit den seinen verschränken; mich mit dem Kopf auf seine Brust legen, nur um sein Herz schlagen zu hören; den Sommerregengeruch, den er immer mit sich trägt, tief einatmen; mit dem Finger die winzigen, blassen Sommersprossen auf seinem Arm verbinden. Ich würde ihn festhalten wollen, für immer.

Die Realität sieht anders aus. Während ich all das machen könnte, stehe ich einfach bloß da, bewegungsunfähig. Schaue auf seine schlanken Knöchel. Gucke mal hier hin und mal dort hin. Beobachte wie er seinen Körper den Fels hochprügelt. Und in diesem Augenblick wünschte ich mir, dass mein Herz auch ein bisschen mehr wie ein großer Fels wäre. Einer, den er bezwingen müsste und nicht etwas, dass ihm einfach so, ganz federleicht zufliegt.

6 replies to “Felsenherz

  1. Wie sehr mir wünsche, dass Du es schaffen könntest, ihm ein kleines Zeichen zu geben, liebe Ines. – Eine Einladung in ein schönes Eiscafe‘ … – ginge das nicht???

    Dein Herz ist gar kein Felsen …

    Liebste Grüße, Du!

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    1. Dazu bin ich leider einfach zu feige. Und solang er noch da ist, mag ich diese zaghafte Freundschaft damit nicht kaputt machen. ):

      Mein Herz ist tatsächlich kein Felsen, aber ich wünschte ein bisschen, es wäre einer.

      Allerliebste Grüße!

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    1. Danke dir!
      Ein bisschen traurig macht es mich auch. Aber im Moment ist es eher noch ein bisschen das Glück. Zumindest, solange er nicht einfach spurlos abtaucht. (:

      Liebe Grüße!

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  2. Sehe es von einer anderen Seite: Freundschaft kann etwas so wundervolles und großes sein, manchmal auch das allergrößte Geschenk. Und solange er da ist, genieße das Gefühl, die Nähe, nimm es auf, halt es fest, lebe es mit jedem Atemzug.
    Auch, wenn irgendwann vielleicht diese klaffende Wunde, dieses großes Loch, da sein wird, so sollte man doch immer für die schönen Momente dankbar sein und wenn man sich zurück erinnert, dann daran. Und dann bleibt über all dem Schmerz doch ein zufriedenes Lächeln.
    Denke aber daran noch gar nicht. Was zählt ist das hier und jetzt. Das Geschenk, diesen Menschen Teil deines Lebens sein zu lassen und Teil seines Lebens sein zu dürfen.

    Ich wünsche dir das Beste!

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    1. Du bist wirklich ein so lieber Mensch, vielen Dank für deinen herzlichen Kommentar. Ich werd mir das alles merken und versuchen daran zu denken, wenn sich die Gelegenheit ergibt.
      Danke vielmals!

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