Eine verfrühte Trauerrede

Ich merke es kommt näher. Mit großen Schritten. Langsam wird es nach mir greifen und mich aus den Klauen meines jetztigen Lebensalltags reißen. Mal abgesehen davon, dass ich eigentlich keinen „Alltag“ im normalen Sinne kenne. Ich bin schließlich Studentin (oder Studierende) und stehe dann auf, wenn ich das für richtig halte. Genau so verfährt es mit dem Zu-Bett-Gehen. Aber gerade war ich ja dabei die Geschichte zu erzählen: Also ich merke, es ist nicht mehr lang hin. Das Ende meiner Studienzeit. Und jedes Mal wenn ich daran denke, dann könnte ich mich in die dunkelste Ecke meiner Wohnung verziehen und mir die Augen lauthals als dem Kopf weinen. Ja, tut mir Leid, ich habe mich nunmal an dieses Schlawiner-Schmarotzer-Leben gewöhnt.

Meine Studienzeit war bis jetzt wohl mit der coolste Lebensabschnitt. Abgesehen von der Wahl meines Studienortes, habe ich es eigentlich ganz gut getroffen. Ich schätze mich ein bisschen sehr glücklich, dass ich mich zu dem Studentenpack zählen kann. Alle die sich lauthals über Studenten beschweren und immer etwas zu nörgeln finden, die sind einfach nur neidisch. Aus Faulheit und dauerhauften Geldnöten (weil ja alles für’s Trinken und Feiern draufgeht), erwächst die Kreativität.

Natürlich sind es Studenten, die mit der „Blick-ins-Buch-Funktion“ bei Amazon eine Hausarbeit zusammenbasteln können, nur weil sie zu faul sind in die Bücherei zu gehen und sich die Bücher auszuleihen. Die sind ja sowieso immer vergriffen, warum dann die Mühe machen und aufstehen? Ist ja auch schließlich erst 14 Uhr. Ebenfalls selbstverständlich ist, dass es nur Studenten sein können, die Müsli aus einer Tasse essen, weil die Müslischüsseln entweder bei der letzten Party kaputt gegangen sind, oder weil gerade keine Zeit für den Abwasch ist… Die Hausarbeit schreibt sich ja auch selbst mit der Funktion nicht alleine. Ich kenne auch niemanden, der ein Arbeitsleben führt und sich morgens Amaretto in den warmen Kakao schüttet, weil es draußen ja so kalt ist und man wach werden muss, damit man die 10 Uhr Vorlesung mitten in der Nacht nicht verpasst. Ebenso kommen die kreativen Köpfe auch darauf, eine Pizza mit einer Schere zu schneiden, weil jeder normale Mensch besitzt ja einen Pizzaschneider – nur eben Studenten nicht. Und wenn sie ihn besitzen, dann wissen sie halt gerade nicht, wo er sich zurzeit in der Wohnung befindet.

Es gibt keine anderen Partys als Studentenpartys, auf denen ich so viele verschiedene Menschen aus den unterschiedlichsten Orten Deutschlands, mit den unterschiedlichsten Geschichten kennen gelernt habe. Eigentlich geh ich schon lange nur noch wegen solchen Lebensberichten auf Partys. Zugegebenermaßen ist es anstrengend, ständig gegen schlechte Musik anzubrüllen, aber was solls.

An zwei Zeiten im Jahr raufen wir uns die Haare, drehen durch, verbringen Nächte am Schreibtisch oder in der Bibliothek oder denken uns: Ach, dass schaff ich eh nicht mehr. Nächstes Semester wird alles anders. Die Lernphase ist beunruhigend. Sie bringt uns zurück in die Realität. Und mich meist in die Bibliothek, wo ich dann sitze, meine Bücher aufschlage und mich über andere amüsiere. Über die, die an den Arbeitsplätzen neben ihrem Laptop eingeschlafen sind. Oder über die, die sich über den letzten freien Tisch in einen wahren Konflikt verheddern – flüsternd und sachlich streitend.

Ich schließe mein Studium bestmöglichst ab und das voraussichtlich in der Regelstudienzeit. Zumindest wenn nicht alles auf den letzten Metern komplett schief läuft. Aber ich kann nicht versprechen, dass ich irgendwann nicht doch zurück an die Uni gehe. Vielleicht um meinen Master zu machen. Allerdings ist das eine andere Geschichte. Die Zeit, die mir nun bleibt das Studentenleben noch einmal richtig auszuleben, werde ich zumindest mit großem Vergnügen nutzen. Meine Vermutung ist: Nie wird es nochmal so leicht werden, mit so wenig verfügbarem Geld so viel umzusetzen, was Spaß macht. Vielleicht ist das genau jetzt das Leben. Kein Geld, aber Zeit etwas zu tun.

19 replies to “Eine verfrühte Trauerrede

      1. aber nur die wenigsten schauen genau hin, wenn sie auf sich selbst treffen! stell dir vor, du triffst dich selbst: was würdest du dich am liebsten fragen? eine kritische oder eine übereinstimmende frage?

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      2. Auf jeden Fall ist das eine gute Frage…
        Ich denke mal, es wäre eher eine kritische. Aber wie genau ich die formulieren würde, das wüsste ich spontan jetzt nicht. Vielleicht sollte ich mir darüber mal Gedanken machen. (:

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  1. Ich entpreche wohl nicht dem typischen Bild der/des Studierenden und werd es in diesem Studium sicher auch nicht mehr.
    Klar, ich war auch auf Studentenpartys, in WG’s war ich allerdings immer nur zu Besuch und oft bin ich schon ab acht Uhr an der Uni und besuche so gut wie immer die Vorlesungen..aber bestimmt nicht, weil ich gerne früh aufstehe. Da ich immer noch zu Hause wohne, erübrigt sich wohl auch das Küchen-Chaos.
    Trotzdem fürchte ich auch jetzt schon die Zeit, wenn sich das Studium dem Ende neigt..das liegt aber eher daran, dass ich ein wenig Angst hab, vor dem was so auf mich zu kommen mag, als dass das Lotter-Leben dann vorbei ist. Im Gegenteil freu ich mich tierisch, dass man dann von der Arbeit nach Hause kommt und nicht noch für Klausuren lernen oder irgendwelche Hausarbeiten schreiben muss.

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    1. Ich habe hier auch größenteils mal wieder meine Beobachtungen verfasst – morgens um 8 Uhr in der Uni bin ich selbstverständlich auch anwesend. Genauso würde ich niemals auf die Idee kommen, meinen ganzen Abwasch so lange stehen zu lassen, aber dafür bin ich wohl auch einfach zu ordentlich. 😛

      Auf das Arbeiten weiß ich allerdings noch nicht, ob ich mich darauf groß freuen werde. Klar, es hat auf jeden Fall seine Vorteile, aber ich komme auch gerne nach Hause und lerne. (Zumindest die meisten Sachen – kostet zwar immer Überwindung, aber wenn ich erstmal angefangen habe, finde ich das eigentlich ganz entspannend.)

      Aber so lebt jeder sein Leben und ob nun Studentenleben oder Arbeitsleben, irgendwo sind immer die positiven und negativen Effekte (:

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  2. Bin jetzt auch nicht unbedingt der Klischee-Student, den sich viele vorstellen. Ich geh eigentlich fast immer in meine Vorlesungen und ich hasse nichts mehr, als Unordnung.
    Aber gerade das man viel flexibler ist, was Aufstehen und Zu-Bett-gehen angeht, fehlt mir während meines Praktikums gerade sehr. Wenn es gar nicht geht, sag ich dann nämlich doch mal „Ach komm, bleibst du halt noch zwei Stunden liegen und gehst halt in die Vorlesung danach“ – geht bei der Arbeit einfach nicht.
    Von daher: genieß es, solange es noch geht 😉

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    1. Das kann ich wirklich gut nachvollziehen. Das frühe Aufstehen ist eins der absoluten negativen Dinge im Arbeitsleben. Da hat man es als Student doch schon etwas besser. Allerdings hast du es mit deinem Praktikum ja sehr gut getroffen, was ich so lese…
      Nach deinem Praktikum wirst du sicher auch weiter studieren -so wie ich das verstanden habe?- daher gebe ich diesen guten Ratschlag mit dem Genießen in vollen Zügen an dich zurück. (:

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      1. Oft wären halt echt nur zwei Stunden, so wie ich es vorher schon beschrieben hatte, sehr hilfreich. Man gewöhnt sich zwar dran, aber ich werde immer ein Langschläfer bleiben :>>
        Und gerade weil ich es mit dem Praktikum so gut getroffen habe, ist es schon okay. Ich habe viel zu lachen hier, das macht es einfacher.
        Ja, ich werde erstmal meine Bachelorarbeit schreiben und dann wahrscheinlich den Master machen, also hab ich erstmal noch was vom Studentenleben 😀

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  3. Hach wenn man das so liest, würde man als Nicht-Studierende wie ich eine bin, am liebsten augenblicklich den Bürojob an den Nagel hängen und anfangen zu studieren. 😀
    Zumindest war das mein erster Impuls^^

    Von daher kann auch ich dir nur raten: Genieße es so lange du kannst! 😉

    Viele liebe Grüße

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    1. Alles hat seine Vor-und Nachteile, ob es nun Studium oder Beruf ist. Und solange der Job Spaß macht- und ich hoffe er macht dir Spaß!- ist gegen’s Arbeiten ja grundsätzlich nichts einzuwenden. 😉

      Danke für deinen Kommentar 🙂
      Und liebe Grüße!

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      1. hehe, so ist es. 😉 diese doch unbescherte zeit kommt nicht mehr zurück. ich war nach dem studium kurz arbeitslos, das ist aber gar nicht zu vergleichen. da gingen dann die sorgen des „wahren lebens“ los. naja, jetzt sorgt mich das wahre leben nicht mehr, aber es langweilt mich zuweilen. 😉

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