Gotthardpass [Schweiz]

Der Gotthard. Ein Sehnsuchtsort für mich. Es ist ein eintauchen in eine andere Welt. Kaum ist man am Viewaldstättersee, kaum taucht der Andermatt auf, beginnt dieses Urlaubsfeeling. Dieses Ich bin raus und Ciao. Mir ist alles egal dann. Sorgen geraten in Vergessenheit. Ich verbinde nicht nur Bergluft, schöne Aussichten und gute Boulder mit diesem Berg. Meine erste Wochenendfahrt mit M³ ging auf den Gotthard. Es zwickt kurz im Herzen.

Heute bin ich ähnlich aufgeregt, denn ich treffe gleich Y., den ich gar nicht kenne. Ich holpre auf diesen Parkplatz, den er mir als Standort geschickt hat. Laufe umher und steuere auf den Kerl zu, der da vor seinem Van sitzt. Und dann ist es alles sehr leicht. Y merkt schnell, dass ich das Schwyzerdütsch nur halb verstehe und wechselt ins Hochdeutsch. Merci. Ich will ihn überreden mit an den Fels zu kommen, aber er wartet noch auf Freunde. Also wende ich das Auto, fahre zum Pass hoch und mache erstmal Pause.

Es ist super viel los auf dem Pass. Die Schweizer*innen haben ebenfalls Feiertag gehabt und sind deswegen rege unterwegs. Ich schnall mir das Crash Pad auf den Rücken, den Rucksack nach vorn und laufe los. Versuche die Boulder zu finden, die ich im Oktober schonmal angefasst habe und irre umher. Irgendwann find ich irgendeinen Fels, den ich dann sogar auch im Führer finde. Ich bin startklar.

Alleine bouldern kann befreiend sein. Aber hokuspokus, I lost my focus und rutsche beim zweiten Boulder ab. Unterarm und Schienbein ratschen auf und ich lande direkt im Bach. Herzlichen Glückwunsch. Bevor ich mich total zerlege, pack ich meine Sachen zusammen und trau mich doch noch zur Gruppe von Y zu stoßen. Und dann beginnt mein Wochenende eigentlich erst so richtig. Am Freitag wird schon viel Haut verloren, viel Kennengelernt, K am Abend getroffen, eine Runde im See geschwommen und sich dann im Autobett vergraben.

Am nächsten Morgen sind K und ich wie verabredet um 7 Uhr wach. Um 8 Uhr soll’s los an den Fels. Wir warten bis 9 Uhr – keiner taucht auf. Also gehen wir letztendlich doch erstmal alleine los. Die anderen holen uns eine Stunde später ein. Und wie das am Fels immer so ist, kaum ist man da, sieht es aus wie ein Schlachtfeld. Jeder schmeißt seine Sachen irgendwo hin. In der einen Ecke liegt das Baby unter einem Sitzstarterpad, in der anderen Ecke liegen die beiden Hunde. Mit so einer großen Gruppe war ich noch nie Bouldern. Aber mir taugt’s. Ich fühl mich sicher mit den Spottern. Fast überlege ich mal auch in den schweren Boulder einzusteigen, entscheide mich dann aber dagegen.

Immer wieder schauen wir runter Richtung Mätteli, denn von da ziehen irgendwann Gewitterwolken auf. Wir bleiben so lang es geht. Ich freu mich über die bekannten dummen Bouldersprüche. Das „Bim Bam Bum“, „so eklig morpho“, „ich habe keine Haut mehr“, „heute nicht mehr… ach komm, einmal noch“. Y findet eine neue Linie. Ich will sie nicht bouldern, weil sie nicht in meinem Führer steht. Er trägt sie in die App ein und nennt sie „Ines Projekt“, damit ich sie mache. Guter Trick. Den Rest der paar verbleibenden Stunden hänge ich in einem Boulder fest, den es gar nicht gibt. Und der einen Swimming Pool Top out hat, den ich nicht hinbekomme.

Am Abend wird Erdnussramen gegessen. „Cha i es paar Chriesi ha?“, werde ich aus meinen Gedanken gerissen. „Kann ich ein paar Kirschen haben?“ – ich bin aus der Unterhaltung ausgestiegen, weil sie alle wieder ins Schwyzerdütsch verfallen sind und ich nichts verstanden habe. Es hat endlich aufgehört zu regnen. Ich reiche die Kirschen rüber. Und dann geh ich ins Bett.

Die Nacht und der Morgen sind kalt. Verabschiedung nach einem Frühstück bei Y im Van – dieses Mal schläft K noch. Die Leute wollen zum Wandern, ich an den Fels. Fahre zu Lucy, fasse zwei Griffe an. Pause. Fasse vier Griffe an und sehe es ein: Ich habe keine Haut mehr, kein Strom. Auto springt nicht an. Batterie abklemmen und wieder anklemmen. Auf dem Weg runter zum See steht plötzlich M³ an der Straße. Frage wohin er will – „zu dir.“ Nehme ihn wieder mit runter zu seinem Bus. Ich will nicht nach Hause, ich will nicht hart im Alltag aufschlagen. Ich will bleiben. Nach Mittagessen und einem Tee im Schatten geht’s dann doch heim. Und alle fragen: Kommst nächstes Wochenende auch wieder auf den Gotthard?/Chunsch nächschts Wucheänd au wieder uf de Gotthard?

Hinterlasse einen Kommentar

close-alt close collapse comment ellipsis expand gallery heart lock menu next pinned previous reply search share star