Eingebürgert

Ein Jahr und sieben Monate lebe ich nun schon hier unten im Süden. Die Zeit ist wie im Flug vergangen. Kann mich genau an unseren ersten Abend erinnern. Ein Abend in einer noch chaotischen Wohnung, mit so viel Zeit und einem Sonnenuntergang wie aus dem Bilderbuch. Bin überrascht, wie gut ich mich hier unten eingelebt habe. Freund*innen kennen gelernt, Hobbys aufleben lassen, eine Trennung überstanden, mich neu verliebt (das habe ich natürlich nicht ernsthaft geschrieben).

Ich laufe durch Konstanz Straßen, als würde ich schon ewig hier wohnen. Weiß wo ich gutes Essen bekommen und wo man sich besser nicht aufhalten sollte. Kenne manchmal sogar Straßennamen und Plätze. Lächle mittlerweile sogar den schweizer Zöllner*innen entspannt zu, wenn ich die Grenze überquere. Brauche kein Navi mehr, um in Richtung Tessin zu fahren. Vermisse die Berge und den See, sobald ich nicht hier unten bin. Habe mich sogar mit dem Schwarzwald angefreundet.

Kann Vorteile (Wassersport, schnell in den Bergen, mega schöne Landschaft, nette Leute) und Nachteile (Mücken, Touristen, Nebel von Oktober bis Februar und MÜCKEN!) vom Leben am See berichten. Habe mir Begrüßungsformeln wie „Salli!“ und „Ade!“ angewöhnt. Sage nicht mehr Danke sondern nur noch Merci. Und wenn ich ganz genau hinhöre, verstehe ich sogar manchmal die Schweizer, wenn sie mit mir reden. Aber auch nur ganz manchmal.

Habe Wanderungen in der Schweiz lieben gelernt, das Bouldern draußen am Fels, Kajakfahren, Rennradfahren mit Höhenmetern. Versuche mich noch immer im Sommer an die Hitze zu akklimatisieren, aber dafür gibt’s ja das Wasser direkt vor der Tür. Habe im Sommer eine Schwimmstreak, den ich diesen Sommer wieder aufnehmen muss. Finde immer wieder neue tolle Dinge, Veranstaltungen, Orte, Menschen.

Bin früher so gern hier runter gefahren, um Urlaub zu machen. Habe D besucht und immer heimlich ein bisschen darüber gelacht, dass er seit 10 Jahren hier unten „festhängt“. Und jetzt bin ich selbst gefangen. Kann nicht mehr weg. Bin wie gebannt an einem Ort, auf den ich mich nicht habe einlassen wollen. Vielleicht ist es aber wie in einer Beziehung. Manchmal verliebt man sich einfach so, dagegen kann man nichts tun. Und aussuchen in wen oder was, kann man sich das auch nicht.