Mit einem Piepen schließen sich die Türen des SBBs. Die Frau auf dem Vierer fühlt sich unwohl. Sie wurde angesprochen von einem Mann ihr gegenüber. Was er sagt verstehe ich nicht. Neben mir steht ein Mann der Kleingeld in seiner Hosentasche hat und ständig mit der Hand daran herumwühlt, sodass mich das Klimpern wahnsinnig macht. Ich kann nicht denken, wenn er so klimpert. Mein Kopf muss aber denken, denken, denken.
Der Zug hält genau vier mal und spuckt mich dann in der Innenstadt aus. Geschäftiges Treiben in den Läden, der Duft von Pommes und Lebkuchen in den Gassen. Die Frau an der Kasse lobt mich und bedankt sich dafür, dass ich meine Maske auf habe. Für mich selbstverständlich. Will ja niemanden anstecken. Ich muss kurz schmunzeln, als ich an gestern denke. Weil ich keine Stimme hatte, musste ich mit Zetteln ein Paket abgeben, an der Kasse des Supermarktes Geld abheben und bei meinem Gemüsehändler 10 kg Orangen abholen. Wie schwach man sich fühlt ohne Stimme.
30 Minuten laufe ich aus der Altstadt zur Wohnungsbesichtigung. Mein Kopf läuft und läuft und läuft. Tolle Gegend, denkt er. Ruhig. Wenn in die Stadt, dann in das Viertel. Gleichzeitig will ich nicht weg von meinem jetzigen Wohnungsort. Ich hasse es, dass mir das Jahr so viele Aufgaben gibt. Manchmal scheinen sie zu groß, um sie zu bewältigen. Zu viele, um zu wissen, wo ich anfangen soll. Mein Körper scheint auf dem Weg der Besserung, aber meine Psyche scheint auf dem absteigenden Ast. Kleinigkeiten bringen mich aus der Bahn. Sechs Tage Isolation ohne wirklichen Menschenkontakt haben mich soweit gebracht, dass ich heute Morgen den BR mit seinen Panoramabildern aus den Bergen geschaut habe. Wie eine einsame Rentnerin.
Was den Kopf gerade zum Anhalten bringt? Ich weiß es nicht. Nur, was ihn so richtig in Fahrt bringt. Auf Nachrichten warten, Zuhause zu sitzen, Gespräche über Jobperspektiven, Wohnungsbesichtigungen, Telefonate mit meinem besten Freund wegen des Hofes. Und der Kopf löst in allen Bereichen so viele Schuldgefühle aus. Sie sitzen in der Brust. Ich blockiere gerade viele Menschen in meinem Umfeld. Ich blockiere auch mich.
Dann erst Mal gute Besserung. Wenn der Virus bekämpft wird, verbraucht das echt viel von einem, auch viel Denkkraft
Ein wenig Aufladen…
Mit lieben Grüßen
Nina
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Lieben Dank! Ja, es ist wirklich alles viel schwerer, wenn man so angeschlagen ist. Auch Entscheidungen treffen, Dinge rational durchdenken.
Liebe Grüße
Ines
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Schuldgefühle? Weshalb? Du bist außer Gefecht, werde erst einmal wieder gesund. Mach, wozu Du Lust hast, der Rest fügt sich. Ganz liebe Grüße!
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