Der Nebelsuppe der letzten Wochen wieder einmal entkommen. Letztes Wochenende auf dem Gotthard hat das gut funktioniert, also versuchen wir das einfach nochmal. Dieses Mal sogar mit einem Urlaubstag am Montag. Am Freitagnachmittag fahre ich auf den Hof und werde beim Aussteigen von den Eseln begrüßt. Lange am Kachelofen kann ich nicht verweilen, es geht noch ein bisschen in den Wald und dann in die Halle – Dinge abgeben, Dinge holen, kurz mit Y. quatschen und dann warten. In mir kribbelt es, denn ich freu mich auf die kommenden Tage. Wir sammeln Ma. ein, drei Stunden ab ins Tessin juckeln, Ro. begrüßen, der schon von den ganzen Boulder*innen zugeparkt wurde und dann schnell ins Bett.
Am nächsten Morgen: 8:30 Uhr, die Sonne blinzelt über die Bergkette ins Tal hinein. Hier bin ich richtig, hier bin ich angekommen. Frühstück mit den Jungs, alle am Genießen – ihren Kaffee und ihr Leben. Eine kurze Schwimmrunde im Fluss, während ich die Zeit stoppe. Und dann geht’s los: Ab ins Bouldergebiet hinein.


Zwei Komma Fünf Tage Steine festhalten, Haut verlieren, Felsen umarmen, dumme Sprüche gedrückt bekommen, Schürfwunden ziehen, Geruch von nassem Moos und Laub einatmen. Esskastanien piksen beim Laufen durch die Schuhe. Ziegenglocken läuten in der Ferne und die dazugehörigen Ziegen sind neugierig. Sie finden uns, durchstöbern unsere Taschen, rangeln mit M, stehen neben den Jungs auf dem Crash Pad, als wollten sie auch direkt an den Felsen kraxeln – und sie könnten es wahrscheinlich sogar besser als wir.
An den Abenden mit kalten Fingern und schlappen Körpern die Pads zurück zu den Bussen schleppen. Am Lagerfeuer sitzen, ungesundes Essen durcheinander essen, Musik hören, den Tatort schauen, sich unterhalten. An den Morgen lange im Schlafsack liegen bleiben, die Tagesschau schauen, Tee in der Sonne trinken, lächelnd verbale Schläge austeilen und einstecken. Sich auf den Tag vorbereiten.
Am Fels bleibt die Zeit wieder stehen. Nur an der dünnen Haut merkt man, wie schnell sie vergeht. Der Körper ist zerlegt. Ich lege mich ab, auf’s Pad. Blick zum Mann an der Wand, die Hände auf’s Herz. Der Muskel, der gerade am stärksten arbeitet. Sonst alles entspannt. Bei mir, in meinem Leben.

