Begleitung

Eine Radtour mit Begleitung. Immer schräg hinter mir. Quasi auf meinem Gepäckträger sitzend. Treu wie ein Hund. Zunächst Musik in den Ohren, damit es nicht zu still wird. Obwohl der Schatten hinter mir so laut redet. Mich förmlich anschreit. Diese verbitterte Gestalt. Nicht von mir lässt, nicht ablässt. In meinem Kopf klingt ihr Echo. Egal wie schnell ich fahre, sie holt mich immer ein. In den letzten Tagen immer dabei. Im Auto, auf dem Rad, auf dem Sofa, im Bett, auf dem Balkon, im Garten, im Supermarkt, in meinem ganzen verdammten Urlaub. Selbst unter der Dusche – Hi, du schon wieder. Wir kennen uns ja schon. Ich kann dich übrigens nicht leiden.

Im Wald stöpsle ich die Musik aus. Weg damit. Ich habe drei Monate nur verdrängt, nur vermieden, immer nur Ablenkung gesucht. Und jetzt ist es still um mich herum. Nur meine Begleiterin lächelt hämisch, mit diesem Gesichtsausdruck der wohl sagen soll „war doch klar, auf Dauer kann man’s nicht wegschieben“. Sie reicht mir Gefühl nach Gefühl. Gedanke um Gedanke. Erinnerung nach Erinnerung. Ich klammre mich an Wolf wie eine Ertrinkende. Trete erst viel schneller in die Pedale, nur um dann abrupt zu bremsen. Schluss mit dem davonlaufen. Ich muss da jetzt durch.

Die Blätter färben sich gelb. Ein Eichelhäher schimpft krächzend. Mir sickert der Matsch in die Schuhe, weil der Weiherweg überflutet ist. Kleine Tannenmeisen piepsen in den Fichten. Ein Kleiber wandert den Stamm hinauf. Dumpf nehme ich all das wahr. Die Natur war immer mein Rettungsanker. Jetzt blockiert meine Begleitung mir die Sicht wie eine Sonnenbrille, eine Sonnenbrille bei Nacht. Sie steht ganz dicht neben mir, die Einsamkeit. Flüstert mir ins Ohr und fragt sarkastisch, ob ich all das immer noch so wunderschön hier finde.

11.10.2024