Manchmal muss man auch durch harte Dinge durch. Manchmal tut man auch dumme Sachen. Aus Versehen habe ich auf dem Handy Bilder und Sticker von uns gefunden und dann alles schnell gelöscht. Und dann schwappte alles wieder über. Deswegen habe ich mir gleich alle Bilder angeschaut, alle von unserer gemeinsamen Zeit. Und das sind nicht mal alle Erinnerungen, die ich mit mir trage. Die meisten sind nicht auf Fotos gebannt. Die meisten sind tief drin im Herzen und kommen, wenn ich Dinge im Alltag sehe, wenn ich mich im Bett umdrehe, wenn ich Kuchen kaufe oder einen bestimmten Geruch rieche. Ich habe mich in Erinnerungen gesuhlt, gelitten und den Schmerz ausgehalten. Vielleicht war das mal nötig. Vielleicht ist das alles notwendig, all dieses damit Auseinandersetzen, damit es mich nicht wieder einholt irgendwann.
Januar 2020: Unser erster gemeinsamer Monat als Paar. Eine Wanderung bei Schnee im Harz, das Stempelfieber beginnt. Ich begleite dich nach Kassel auf einen Boulder-Wettkampf. Ich kann mein Glück noch nicht fassen, ich bin skeptisch, aber ich bin glücklich. Dein Herz schlägt schnell in deiner Brust. Ich liege mit dem Ohr direkt darauf. Näher geht nicht.
Februar 2020: Ich fahre zu einem Geburtstag nach Dänemark, du fährst nach Mallorca. Wir beide vermissen einandern, auch wenn es nur ein paar Wochen sind. Frisch verliebt ist die Sehnsucht am Größten.
März 2020: Corona ist im vollen Gange. Wir ziehen zusammen in eine wunderschöne Wohnung. Spielen den ganzen Tag, essen, machen Radtouren und Wanderungen, verbringen die gemeinsame Zeit und haben uns.
April 2020: Wir feiern unsere Geburtstage, machen Schnitzeljagd, sind im Harz unterwegs und bouldern. Die Wohnung wird weiter eingerichtet. Wir haben es gemütlich, wir haben es schön.
Mai 2020: Ernie stößt zu uns und vergrößert unsere Zweisamkeit. Immer noch sind wir im Harz unterwegs, Fotos machen, viel draußen, viel wandern und fahren für einen Kurztrip in die Sächsische Schweiz. Unser erster gemeinsamer, wenn auch kurzer Urlaub. Wir finden immer mehr Gemeinsamkeiten, immer mehr zusammen.
Juni 2020: Ernieumbau. Auch wenn du das eigentlich alleine gewerkelt hast, hat es sich angefühlt, als wären wir ein Team.
Juli 2020: Gemeinsame Fototouren, gemeinsam auf dem Balkon sitzen, Kajak fahren mit Freunden und der erste Urlaub mit Ernie in Österreich. Neben dir liegen auf engen Raum. Dein Bart macht Knuspergeräusche am Schlafsack. Auch wenn ich mich immer über die Enge beschwert habe, es war gemütlich mit dir.
August 2020: Nach Österreich folgt Schweden. Und überall das Glück mit dir zu sein. Dinge teilen zu können. Im eiskalten Meer nackt baden zu gehen oder stundenlang auf die Wellen schauen.
September, Oktober, November, Dezember 2020: Wir. Im Harz, mit Freunden, in dieser wunderschönen Wohnung, in unserem Alltag. Immer noch voll Glück.
Januar, Februar, März 2021: Weitere Touren in den Harz, weitere Touren zum Fotos machen, im Frühling dann die Radtouren. Ich komme gerne nach Hause, weil du da bist.
April 2021: Mein 30. Geburtstag. Ich hätte mich in Corona Zeiten nicht mehr gefeiert fühlen können. Ich bin froh, dass ich ihn mit dir verbringen durfte. Ich fühle mich gesehen und geliebt. Jeden Tag, nicht nur an meinem Geburtstag.
Mai 2021: In diesem Monat haben wir uns in die Elbtalaue verliebt. Zumindest kurzfristig. Und ich mich weiter und weiter in dich.
Juni, Juli, August, September 2021: Wie viel wir mit dem Bus unterwegs waren. Ab nach Hessen, ab ins alte Land, ab nach Österreich und Italien. Und selbst wenn wir nichts zusammen unternommen haben, warst du immer meine wichtigste Person. Der, der ich alles erzählen konnte. Der, der ich alles erzählen wollte. Die, von der ich alles wissen wollte. Die Person, die für mich da war. Die Person, für die ich da sein wollte.
Oktober, November 2021: Der Herbst zieht ein. Und mit ihm die Gemütlichkeit. Meisen beobachten, wie sie die Knödel wegfressen. Die Füße hochlegen, den Kopf in deinen Schoß und dann Serien schauen.
Dezember 2021: Madeira Urlaub. Unsere erste gemeinsame Reise ohne Bus, stattdessen mit Flugzeug. Weihnachten nur zu zweit. Das Fest der Liebe.
Januar, Februar, März 2022: Der Winter ist kalt und du wärmst. Die kleine R wird geboren und ich habe dich kurz als Vater meiner Kinder gesehen, obwohl ich gar keine Kinder will. Und endlich hat der Stress der Approbation ein Ende. Du hast mich dadurch geleitet. Du warst da, auch in den Zeiten, wo ich so unglaublich anstrengend und nervig war. Du hast mich unterstützt.
April 2022: Kalte Nordsee. Warmes Herz.
Mai 2022: Schottland. Wildes Meer, wilder Wind, wilde Liebe.
Juni, Juli, August 2022: Ausflüge in den Bärenpark und zu Wanderungen in Hessen. Zum Bouldern in fremden Hallen. Nochmal Kajak fahren. Und immer Spielen. Darauf ist Verlass: Auf Brettspiele und auf dich.
September 2022: Slowenien mit Ernie. Nur wir zwei auf fremden Straßen.
Oktober, November, Dezember 2022: Wieder Herbst. Wieder Winter. Solange es sich alles wiederholt, ist es gut. Solange du im Herbst noch die Füße unter meine Beine schiebst. Solange du im Winter meine kalten Hände wärmst. Solange wir beim Brettspiel am großen Tisch sitzen und solange ich dein Lachen höre.
Januar 2023: Winter-Dänemark Fahrt. Ich gehöre jetzt offiziell dazu. Zu dir und deiner Freundesgang. Es ist anstrengend für mich, aber du bist ja da. Deswegen ist alles gut. Die vielen Menschen, die Lautstärke. Sowieso immer die Wellen und der Sonnenaufgang bei Ebbe. Die Dünen und die Kälte.
Februar 2023: Und dann hast du es geschafft. Die Promotion in der Tasche. Ich bin so stolz auf dich und Mann, siehst du gut in dem Hemd aus. Freunde besuchen in Lüneburg. Ich bin im Urlaub und ich weiß, ich vermisse dich und freue mich, wenn ich wieder Zuhause bei dir bin. Wir packen unser Zuhause ein. Wir bereiten uns vor für eine Zeit, die nur uns gehört.
März 2023: Vor dem Start noch die Entscheidung treffen: Konstanz wird es werden. Ich freue mich darauf. Ein Neustart mit dir an meiner Seite. Abschiedsbrunch und dann geht es los. Die große Reise. Die große Freude. Und ich bin so glücklich und dankbar, dass ich sie mit dir erleben darf.
April, Mai, Juni 2023: Drei Monate ohne Zeitgefühl. Mehr als dich brauche ich nicht. So viele Erlebnisse, so viele Eindrücke. Ich habe das Glück, dass ich sie mit dir teilen kann.
Juli 2023: Wohnungssuche in Konstanz. Die Vorfreude auf Alltag. Auf eine feste Base. Eine Leben wie gewohnt, mit Langeweile. Mit schlechten Tagen und vor allem vielen guten. Hätte ich damals geahnt, was Konstanz mit uns macht.
August 2023: Dänemark-Überraschungsbesuch. Schön, sich von allen „verabschieden“ zu können. Schön, mit dir hier zu sein. Und dann der Umzug. Ich erinnere mich so genau an den ersten Abend in unserer Wohnung. An den ersten Morgen, an all die Aufregung, an all die Freude. Ich habe in dein Gesicht geschaut, am 16.08.2023 abends und ich bin neben dir am 17.08.2023 aufgewacht.
September, Oktober 2023: Die freie Zeit haben wir nochmal genutzt, sind nach Österreich und einen kleinen Abstecher in Italien. Wir haben deine Eltern getroffen. Wir waren wandern. Wir waren zufrieden. Mit uns und der Welt. Dann haben wir unsere neue Heimat kennengelernt. Uns eingelebt im Süden. Du wohl ein bisschen mehr und schneller als ich.
November 2023: Du hast einen Blogeintrag darüber geschrieben, wie glücklich ich dich mache und wie schön die Zukunft mit mir wird. Ein Dreiviertel Jahr später ist nichts mehr davon da. Dabei habe ich all die Jahre gedacht, du machst mir irgendwann einen Heiratsantrag. Ich habe es mir sogar gewünscht, du würdest mir einen machen, obwohl ich heiraten kitschig finde.
Dezember 2023: Weihnachten bei deinen und meinen Eltern. All das gehörte dazu – zu uns. Und wir verdauen beide zusammen, dass wir Ernie abgeben (müssen). Aber solange ich dich nicht abgeben muss, bin ich glücklich.
Januar, Februar, März 2023: Wanderungen in der Umgebung. Winterschlaf und -herzlichkeit. Wärme verteilen, Wärme nehmen. Fasnachtswahnsinn, Kopfschütteln. Gleiche Ansichten, gleiche Interessen. Kurztrip ins Allgäu und vielleicht erinnere ich mich jetzt daran, erst im Nachhinein, dass du da schon gar nicht so richtig mit wolltest.
April 2024: Dein 30. Geburtstag mit Überraschungsbesuch und -schnitzeljagd. Auch hier hat dir alles zu viel Zeit gefressen, weil du dann nicht bouldern gehen konntest. Wurde hier schon die Verbindung zu mir weniger?
Mai 2024: Ein paar Ausflüge in die Umgebung, du immer viel Bouldern und Klettern. Die Zeit, die wir gemeinsam verbracht haben schrumpfte. Ich fand es nicht einmal tragisch, aber mir fiel es auf. Das war die Einleitung zu unserem Untergang.
Juni 2024: Spätestens hier warst du mit deinen Gedanken ganz woanders. Am Fels, in Konstanz, bei deiner Kletterpartnerin und so gar nicht bei mir. Weder neben mir im Bett, noch in Südfrankreich. Ich habe das bemerkt und versucht dagegen anzukommen. Habe mir den Kopf zerbrochen, wie ich es schaffen kann, dass du mir nicht immer weiter entgleitest. Mit allen Mitteln den Kampf geführt. Unsere Beziehung ist stabil und sicher genug, wir kriegen das hin – das ist das, was ich den Leuten und mir gesagt habe. Das ist das, was ich geglaubt habe. Bis zum Schluss. Aber du hattest eine Entscheidung getroffen. Du wolltest weg. Die Krise war da und es gab kein happy ending.
Juli 2024: Dein Herz schlägt schnell in deiner Brust. Ich drücke mein Ohr ganz fest daran. Ein letztes Mal. Noch einmal nah. Noch einmal deinen Geruch einatmen. Ich glaube im Nachgang, das waren die schlimmsten Wochen, die ich bisher in meinem Leben hatte. Ich wüsste nichts vergleichbares. Ein verzweifelter Kampf ohne Aussicht auf Erfolg. Immer weiter trieb es dich weg. Immer weiter zog es mich in den Schmerz. Immer schneller schlug dein Herz, doch dieses Mal nicht mehr für mich.
August 2024: Danke für alles. Alles Gute!
🫂
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Ins, ich drück Dich, ganz fest … so lange Du willst, es brauchst …! 🤗🙏🏻💚
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Danke! 🙂
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Die ganze Klaviatur der Gefühle… und so toll be- und geschrieben. Laß Dich mal drücken.
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Danke dir! Ich habe deine Mail nicht vergessen. Da gibt es sicher bald eine Antwort drauf.
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