Die Zeitverschiebung lässt mich morgens nun immer um 6:30 Uhr, portugiesische Zeit, wach werden. Heute ist der Himmel dunkelgrau. Eine ganz unbekannte Farbe, dort oben in der Höhe. Wir kennen bisher doch nur helles, gleißendes Weiß, warme Pastellfarben oder sattes, schweres Orange. Als wir mit dem Frühstück fertig sind, hat sich die Sonne auch wieder durchgesetzt. Sie lugt langsam aber sicher hervor. Unser Abenteuerspaziergang für diesen Morgen startet jetzt.
Gestern hatte M noch nachgeschaut, ab wann die Ebbe einsetzt und wann sie ihren Höhepunkt (oder dann Tiefpunkt?) erreicht. Vorsichtshalber frage ich noch zwei mal nach. In Dänemark, haben wir es ja verpeilt und wenn uns das hier passieren würde, müssten wir mit dem Boot abgeholt werden. Das wäre ja peinlich. An der Klippe gehts los. Erstmal stehen bleiben und das morgendliche Licht genießen. Weitblick auf den Atlantik und die zerklüfteten Felsen. Nun wollen wir aber eigentlich runter an diesen kleinen Strand.



Der Pfad wird immer schmaler. Eine alte Eisenbrücke hat bereits ihr Gitter verloren. Also muss man über den Balken balancieren. Dann steht man vor einer ca. 2,5 Meter hohen Abbruchkante, wo einst mal eine Treppe war. Die letzten Stufen sind noch zu sehen, jedoch in weiter Ferne. Es wurde provisorisch mit einem Seil und einem Metallstab gewerkelt, sodass man sich zumindest fürs Hinaufklettern festhalten kann. Hinunter muss gesprungen werden. Dieser etwas andere Weg lohnt sich voll und ganz. Das Wasser zieht sich zurück. Wir stehen auf einem kleinen Strandabschnitt und wollen erkunden. Erstmal durch eine Felsspalte, damit wir zur nächsten kleinen Bucht kommen. Die kleinen Schlupflöcher, die uns weiterführen, werden immer enger. Rucksack voran, dann ich hinterher. Eine kleine Kletterpassage auf nassen, glitschigen Steinen. Immer wieder muss kurz angehalten werden, um diese wunderschöne Küste zu betrachten. Immer wieder muss ein Schritt zur Seite gemacht werden, Abstand zu den Klippen über unseren Köpfen entstehen lassen.



Wir sehen Möwen, finden wunderschöne Muscheln, beobachten kleine Krebse wie sie Spuren im Sand hinterlassen. Wir hören das Möwengeschrei, die Wellenrauschen und den Wind. Wir spüren den weichen Sand, das kalte Wasser und die glitschigen Steine unter unseren Füßen. Wir entdeckten eine Bucht nach der anderen für uns ganz alleine. Niemand ist sonst da. Fast kann ich nicht genug bekommen.



Auf dem Pfad an der Klippe zurück, geht es dann noch einmal in die andere Richtung. Es ist schlimm zu sehen, wie viele Pfade auf den Klippen schon ausgetreten sind. Menschen laufen an die dümmsten Stellen, Möwen werden beim Brüten gestört. Es geht mir immer wieder so, dass ich über so wenig Respekt gegenüber der Natur wütend werde.


In die andere Richtung zeigt sich die Küste ebenfalls ganz kantig, ganz scharf, ganz wild. Vor allem hat sie mehrere, sehr tiefe Löcher. Unten toben die Wellen im Dunkeln. Man muss die Augen sehr zusammenkneifen, um in der Tiefe etwas zu erkennen. Außerdem führt nur eine kurze vergitterte Brücke über die Kante des Lochs. Nachdem wir die halb zerstörte Brücke vorhin überquert haben, schießt mir kurz die Frage in den Kopf, wann diese Aussichtsplattform wohl zuletzt mal jemand gewartet hat.
