Die Liebe zu Wörtern

Seit ich einigermaßen flüssig lesen kann, lese ich. Manchmal verschlinge ich Bücher einfach so am Stück. Andere lege ich zwischenzeitlich wieder zur Seite, um ein anderes lesen zu können. Es gibt Bücher die fesseln mich und es gibt Bücher die langweilen mich. Als Jugendliche war es für mich ein Verbrechen ein angefangenes Buch zur Seite zu legen. Mitten drin aufzuhören, obwohl ich das Ende nicht kannte, war für mich einfach unmöglich-da konnte das Buch noch so dick und langweilig sein, ich quälte mich eben dadurch. Mängelexemplare gab es nicht.

Psychothriller lese ich gerne, damit ein bisschen Action in mein Leben kommt.  Action, die weit entfernt ist und die ich beenden kann, sobald ich genug davon habe. Mit Romanen geht es mir ähnlich. In fremde Geschichten, Leben, Personen einzutauchen ist immer auch ein kleiner Selbstfindungstrip. Es ist wie auf Reisen gehen und nach dem letzten Kapitel gelehrter wieder zuhause anzukommen.

Letztes Jahr habe ich 52 Bücher gelesen. Traurige, spannende, lustige und bildende. Denn obwohl Bücher so vieles gemeinsam haben (Seiten, Wörter, Sätze, einen Autor, …), gleicht keines dem anderen. Selbst die, die sich vom Inhalt her ähneln. So wie die Lebensgeschichten der Menschen.

Ohne große Rezensionen zu schreiben, möchte ich doch kurz die auflisten, die mich am meisten bewegt oder in den Bann gezogen haben. Vielleicht mögt ihr in ihre Geschichten genau so eintauchen, wie ich es getan habe. Oder ihr habt sie vielleicht sogar schon gelesen und erzählt mir, ob ihr sie auch so gut fandet.

Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit

Buchrückentext: ‚Eine schwierige Kindheit ist wie ein unsichtbarer Feind: Man weiß nie, wann er zuschlagen wird.‘ Jules und seine beiden Geschwister wachsen behütet auf, bis ihre Eltern bei einem Unfall ums Leben kommen. Als Erwachsene glauben sie, diesen Schicksalsschlag überwunden zu haben. Doch dann holt sie die Vergangenheit wieder ein. Ein berührender Roman über das Überwinden von Verlust und Einsamkeit und über die Frage, was in einem Menschen unveränderlich ist. Und vor allem: eine große Liebesgeschichte.

In Wells Schreibstil habe ich mich schon nach den ersten Seiten verliebt. Locker, lustig und gleichzeitig ernst, wenn es darauf ankommt. Das Buch habe ich während einer langen Zugfahrt verschlungen, nur um danach noch mehr davon lesen zu wollen. Traurigschön.

„Die Einsamkeit in uns können wir nur gemeinsam überwinden.“

Wolfgang Herrndorf

Tschick, Bilder deiner großen Liebe, Arbeit und Struktur. Ich kann mich wirklich nicht entscheiden, welches der Herrndorf Bücher am besten war. Am meisten bewegt hat mich ganz klar Arbeit und Struktur-einfach weil’s ein langer Abschiedsbrief während seines Krankheitsverlaufes ist. Ich weiß nicht mal, ob es da nicht doch legitim ist, danach ein bisschen zu trauern. Um einen sehr großen, bemerkenswerten Schriftsteller.

„Verrückt sein heißt ja auch nur dass man verrückt ist, und nicht bescheuert.“
(aus Bilder deiner großen Liebe)

Michael Robotham

Ist genau so ein Spezialist der Wörter. Ob Watching You, Life or Death, Lost oder Close Your Eyes, in all diesen Büchern wird Spannung aufgebaut. Auf das nächste Buch warte ich zumindest ziemlich sehnsüchtig. Vor allem, weil ich die so gut in Englisch runterlesen kann.

„Bertand Russel once said that the problem with the world is that fools and fanatics are always so certain of themselves, and wiser people so full of doubts.“
(aus Close Your Eyes)

Thees Uhlmann: Sophia, der Tod und ich

Inhalt: Vor der Tür des Erzählers steht ein Mann, der ihm ähnlich sieht und behauptet, er sei der Tod und wolle ihn mitnehmen. Er habe noch ungefähr drei Minuten zu leben. Zwischen den beiden entspinnt sich eine absurd-witzige Diskussion, in der es um Kopf und Kragen, um die Insel Juist, den Lakritzgeschmack von Asphalt und das depressive Jobprofil des Todes geht. Zu seiner Verwunderung gelingt es dem Tod nicht, den Erzähler sterben zu lassen. Ein spektakulärer Roadtrip beginnt. Gemeinsam mit seiner Exfreundin Sophia und dem Tod macht sich der Erzähler auf den Weg zu seiner Mutter und zu seinem sieben Jahre alten Sohn, den er seit Ewigkeiten nicht gesehen hat, dem er aber Tag für Tag eine Postkarte schreibt.
Es geht auf eine Reise zwischen Himmel und Hölle – und um die Frage, ob es das alles überhaupt gibt. Eine Reise, die geprägt ist durch die Tollpatschigkeit, mit der sich der Tod durch die Welt der Lebenden bewegt, und Fragen wie: Muss der Tod pinkeln? Und wenn ja, wie macht er das? – Und die große Frage, was denn besser ist, »to burn out or to fade away«.

Was ich dazu sagen kann? Sobald ich es aus der Hand gelegt hatte, wollte ich es noch einmal lesen. Und dann hätte ich es nochmal gelesen und nochmal und nochmal. Denn das ist ein wahres Meisterwerk an Lebensgeschichte, Traurigkeit und trotzdem auch zum herzlich lachen. Bitte lest es.

„Dieses verbündende Lachen, wenn man die Absurdität der Zustände erkennt. Schulterzucken durch den Mund sozusagen. Kopfschütteln mit dem Bauch.“

Sarah Kuttner: 180° Meer

Klappentext: Nachdem ihr Vater die Familie verlassen hat, ist Jule mit ihrem Bruder und ihrer selbstmordgefährdeten Mutter aufgewachsen. Als Erwachsene hat sie sich einen Alltag geschaffen, in dem sie alles nur noch irgendwie erträgt: ihren Job als Sängerin, die unzähligen Anrufe ihrer Mutter, den ganzen Hass in ihr, der sie fast verschwinden lässt. Als auch ihre Beziehung zu bröckeln beginnt, flieht sie zu ihrem Bruder nach England, auf der Suche nach Ruhe und Anonymität.
Doch dort trifft sie auf ihren Vater, der im Sterben liegt. Zaghaft beginnt Jule einen letzten Versuch, sich dem Mann anzunähern, von dem sie sich ihr Leben lang im Stich gelassen gefühlt hat.

Durchgeschlungen, verschlungen. Ich liebe das Meer und ich liebe Kuttners Stil. Ob Mängelexemplar, Wachstumsschmerz oder eben nun das neuste Ding. Geht immer.

„Abstand gibt Platz zum Denken und Nachfühlen, aber Denken ist der Feind von Fühlen, und ich kann nicht noch mehr Feinde gebrauchen.“

Sebastian Fitzek

Last but not least, Herr Fitzek. Wer abends mal nicht schlafen will und sich lieber in eine Geschichte verstrickt, der sollte zu seinen Büchern greifen. Suchtgefahr ist für mich hier jedes Mal garantiert. Immer wenn ich denke, dass ich ihn endlich durchschaut habe, passiert doch wieder irgendwas abwegiges. Er ist nicht nur Autor sondern auch Spannungsbogenaufbauer und dich-auf-die-Folterspanner. Nervenkitzel und Mitfiebern bis zur letzten Seite.

Sein neustes Buch ist übrigens Das Paket. Aber ich habe schon ein bisschen recherchiert und bin zufällig darauf gestoßen, dass er uns nicht allzulange warten lässt. AchtNacht ist auf dem Weg! Heidewitzka! Fast wie Weihnachten.

4 replies to “Die Liebe zu Wörtern

  1. Die Stelle für den Kommentar zu finden, war jetzt aber ganz schön tricky.
    Ja mir ging es mit Büchern auch so, sie haben viel geld gekostet…also wird jede Zeile gelesen. Seit dem ich Bookcrossing kenne…ist das anders….ich kann ganr nicht schnell genug lesen wie sie bei mir Bücher stapeln.
    Auch ich habe Bücher in die ich tief eintauche und eeeewig brauche bis ich wieder „rausgekrabbelt“ bin um ein neues zu lesen. Ich lese Krimis und Histo, gerne auch in Kombination aber auch mal gerne einen schönen Roman. Thriller ist nicht so meins, da ich mich halt immer so in den Inhalt verstricke. Ich habe mal „aus versehen“ (ich hatte den Klappentext nixht gründlich gelesen und es war ein günstiges ebook) Noah von Fritzek gelesen, war nicht schlecht aber psycho ist nicht so meines.
    Ich dokumentiere Gelesenes bei Goodreads.. denn oft weiss ich am nächsten Tag schon nicht mehr welches Buch ich vorher gelesen habe….

    PS Als Kind habe ich am liebsten im Brockhaus bei meinen Großeltern gelesen

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    1. Zum Glück hast du die Funktion noch gefunden 🙂

      Ich habe mir bisher immer nur sehr selten Bücher gekauft. Meistens leihe ich sie mir ganz altmodisch in der Bibliothek aus. Finde ich eine sehr gute Alternative.

      Kenne ich auch gut, manchmal verschwinden die Erinnerungen so schnell, weil ich schon wieder in die nächste Geschichte vertieft bin.

      Klingt nach einer tollen Kindheitserinnerung. 🙂

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  2. Und auch in diesen Worten habe ich mich wieder gefunden 🙂 Auch wenn ich es selbst schade finde, dass ich nur noch seltener zum Lesen komme, doch es ist wohl eine Liebe, die wir teilen 🙂

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