Angst, mein alter Freund

Hallo Angst, hallo Traurigkeit. Lang hab‘ ich euch nicht mehr so stark neben mir sitzen spüren. Ihr klettert mir beinahe auf den Schoß. Ignoriert, dass ich euch wegschubsen und verbannen will. Dass ich Anfang der Woche noch glaubte, euch in der nächsten Zeit nicht wiederzusehen. Nun bist du mein ständiger Begleiter: Vor allem du, Angst. Wie ein kleines, bissiges Monster wartest du in der Ecke. Lauerst. Seit Dienstag sitzt du mir auf der Brust. Mein Glück wird schwarz übermalt von der Traurigkeit. Ich war glücklich bis vor ein paar Tagen. Dieses Glück verblasst. Es klebt in meinen Erinnerungen, wie ein schlecht durchgepaustes Bild.

„Traurigkeit, du alte Töle, heb‘ dein Bein mal nicht bei mir.“
-Jupiter Jones//4-9-6 Millionen

Bewegungslos lag ich neben dir. Du konntest nicht still liegen. Wir wussten beide nicht, wie wir es bis hierher geschafft hatten. Warum wir hier nebeneinanderlagen, mit 30 cm realem und 1 km gefühlten Abstand zwischen unseren Schultern. Ich brauchte diese Komfortzone. Ich wusste, dass alles was sie durchbricht gefährlich werden konnte. Du hörtest mich nicht. Drehtest dich auf die Seite und gucktest mich an. Und ich rutschte in deine Arme.

Es war ein komisches Gefühl. Etwas fremdes, hier von deinen Armen umschlungen zu werden. Deine Locken kitzelten an meinem Hals, wenn du dein Gesicht darin vergraben hast. Zaghaft verteiltest du Küsse auf meiner Schulter, so leicht, als wären sie nie dagewesen. Es war ein komisches Gefühl. Etwas unbeschreiblich Schönes und Vertrautes, hier mit meinem Kopf auf deiner Schulter zu liegen und mit den Fingern an deinen Arme entlang zu malen. Als hätten wir das schon immer so gemacht. Als würden wir das für immer so machen und nicht nur für diese Nacht.

Diese Nacht war vergänglich. Der Tag danach euphorisch. Als das Schwarz zu Blau wurde und ich mich im Schlaf zur Seite drehte, nicht weit kam, weil du dort lagst und so viel Platz einnahmst. Was für eine Angst ich hatte, solche Angst. Angst, dass alles nur geträumt zu haben. Angst, mich hieran irgendwann nicht mehr erinnern zu können. Ich hatte Angst vor dem Moment, wenn du aufstehen würdest. Verschwinden. Aus meinem Bett, aus meiner Wohnung, aus meinem Leben.

Meine Angst war begründet. Sie kam wie eine leise Vorahnung. Du bist verschwunden. Irgendwohin. Vielleicht in deine eigenen Zweifel, aus denen ich dich nicht herausholen kann. Ach, würde dein Mut doch nur deine Zweifel schlagen. Wären Traurigkeit und Angst nicht unsere Begleiter, hätten wir uns gegenseitig begleiten können. So gehen wir getrennte Wege. Ich mit Furcht im Herzen, du mit Zweifeln. Und das Glück von Vorgestern klebt verblasst an uns. Ausgeleiert. Verbraucht.

6 replies to “Angst, mein alter Freund

  1. Ich wünsche mir so, so sehr, dass es doch nicht so ist. Das mit dem verbasst, ausgeleiert und verbraucht sein. Ich wünsche es mir, weil ich Dir so sehr jene Liebe, jenes geborgen Sein wünsche, nach denen Du Dich so sehnst. Du hast sie so sehr verdient.

    Ich kenne ja die Empfindungen, die Du hier beschreibst. Aber diese Gemeinsamkeit kann Dich nicht trösten. Nichts kann Dich wirklich trösten. Ich weiß, liebe Ines.

    Da sitze ich nun wieder hier mit meiner Schulter zum Anlehnen, und ich denke, sie ist das Mindeste, was ich Dir geben möchte.

    Manchmal ist man, bin ich so ratlos. Mein Herz sagt mir, dass es dennoch gut ist, dass ich Dir diese Worte hier schreibe. Und mein Herz hat mich bidher zwar schon manchmal seht gefordert aber noch nie belogen.

    Ich mag Dich auch nicht belügen, und so sage ich Dir, dass ich sehr mit Dir mitfühle. Ich bin nicht der, den Du Dir jetzt an Deine Seite wünschst, aber ich glaube zu wissen, dass Du dennoch froh bist, dass ich da bin und Dich mit Deiner Angst und Deiner Traurigkeit nicht allein lasse.

    Ich umarme Dich Du liebe klitzekleingroße „Eulenines“ – Schlaf schön, trotz allem, ich schicke Dir einen wunderschönen Ostseetraum!

    Ganz liebe Grüße!

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  2. Ach, liebe Ines, das ist aber auch eine verzwickte Situation. Die Situation kommt mir so unheimlich bekannt vor, dass ich fast melancholisch werde, wenn ich das lese und daran denke.
    Ich kann das hier aus der Ferne zwar schlecht abschätzen, aber ich würde mal behaupten, eure Geschichte ist noch nicht vorbei.
    Wie gesagt, ich kenne diese Situation. Man ist wie 2 Pole, manchmal zieht man sich an, kommt der eine näher, stößt der andere ab und umgedreht. Jedoch kommt man nie los voneinander, da sich die Pole ja auch gegenseitig anziehen. So ein endloses Hin und Her.
    Verzweifel nicht! Es kommen auch wieder bessere Tage. Und wer weiß, vielleicht ändert sich die Situation ja auch schneller als gedacht.
    Liebe Grüße!

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    1. Genau so ist es. Immer wieder dieses hin und her und nichts halbes und nichts ganzes. Man steckt ja irgendwie zu sehr drin in der Situation, aber dennoch kann man sich auch nicht einfach abwenden.
      Danke für deine lieben Worte!
      Liebe Grüße

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  3. Hallo Ines,

    dass die Traurigkeit auch nie lernt, innerhalb ihrer Linien zu malen. Immer muss sie übermalen. Als wolle sie es nicht einmal lernen. Furchtbar, sowas.
    Und Überraschungsbesuche von Angst und Traurigkeit sind immer so anstrengend. Plötzlich stehen sie vor der Tür, wollen sich wohnlich einrichten und hören einfach nicht hin, wenn man ihnen, erst höflich, dann immer vehementer zu verstehen geben will, dass es jetzt nicht passt. Dass sie nicht willkommen sind. Dass sie doch bitte wann anders wiederkommen oder, wenn es sich einrichten ließe, am besten gleich ganz weg bleiben sollten.
    Aber am Ende gehen sie ja doch. Dann muss man zwar erstmal wieder für Ordnung sorgen in dieser kleinen Wohnung, die sich in unseren Herzen auftut, aber man kann die Erinnerungen wieder wie Bilder an die Wände hängen. Und dort, wo ein Sprung zu viel im Glas ist, kann man sich an neue Erfahrungen machen. Ein paar mehr Momente sammeln, um sie in Marmeladengläsern in ein Regal zu stellen. Für schlechtere Tage, versteht sich. Für diese unerträglichen Überraschungsbesuche.

    ‚A Comfort Zone Is A Beautiful Place, But Nothing Ever Grows There.‘
    So empfing mich mein Facebook-Feed vor ein paar Tagen und er hat recht. Das Gras ist grüner, wo man es gießt.
    Aber ja – das, was die Komfortzone durchbricht, ist gefährlich. Und wenn die Gefahr auch nur darin besteht, dass es etwas so Schönes werden kann, dass wir uns nicht mehr vorstellen können, ohne diese spezielle Schönheit ein schönes Leben zu führen.

    Ich lese momentan ein sehr gute Reihe.
    Die Bestimmung. Und im ersten Teil geht es viel um Angst.
    „Mut ist, zu handeln, obwohl man Angst hat.“
    Vielleicht solltest du ihm das einmal erzählen. Oder ihm das Buch zu lesen geben.
    Du kannst ihn nicht aus seinen Zweifeln holen, kannst die Schritte nicht für ihn gehen, aber du kannst die Hand nach ihm ausstrecken, dich neben ihn stellen und mit ihm die Schritte gehen. [Mit ihm durch seine Angstlandschaft gehen, um in den Motiven des Buchs zu sprechen.]
    Wege trennen sich manchmal, um wieder zusammenzuführen. Kreuzungen sind das dann. Und man kann entscheiden, welchen Weg man einschlägt. Und mit welchen Begleitern man auf ihnen wandert.
    Du kannst dich für deinen Weg entscheiden. Und die Begleiter, die du nicht willst – Angst und Zweifel und Traurigkeit – die kannst du weg schicken. Man muss nur mit den Konsequenzen leben können.

    Glück braucht sich so schnell nicht auf.
    Mit dem Glück verhält es sich ein bisschen wie mit Wüstenpflanzen (noch so ein Buch, das ich letztens gelesen hab). Das hält sehr lange ohne Wasser aus, aber sobald es dann einmal regnet – du wirst staunen, wie viele Blüten es schlägt. Und wie wunderschön es ist.

    Ein schönes Wochenende dir!

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    1. Liebe Kira, du bist ein Naturtalent, was das Malen mit Worten angeht. Du kannst einfach die schwierigsten Situationen bildlich werden lassen. Das ist schon ziemlich magisch. (:

      Die Komfortzone hat er längst durchbrochen, da gibt es auch keinen Weg mehr zurück. Da muss ich jetzt durch und abwarten, ob irgendwo dort mir etwas schönes begegnet.

      Auch die Angst bleibt. Wahrscheinlich ist seine noch größer als meine. Das Buch werde ich selber mal lesen-klingt sehr spannend. An die Hand nehmen werde ich ihn nicht können. Er kennt sich so viel besser mit Angstbewältigung aus, als ich. Er kennt all diese Methoden und Techniken, weiß wie er sie anwenden müsste, schafft es aber nicht. Seinen Patienten könnte er sofort tausend Ratschläge geben.

      Danke, du Liebe, für deine bezaubernden Worte. Ich bin immer wieder baff und nehme sie mir sehr zu Herzen. (:
      Hab einen schönen Sonntag!

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