Expedition Brocken

Der Brocken. Ein Berg von nicht ganz so hoher Höhe, aber doch hoch genug. Perfekt für eine Wanderung am Sonntag. Ja, Mama, heute ziehen wir uns die Wanderschuhe (oder eben die Motorradschuhe und Chucks) an und gehen draußen im Wald spielen. Während andere ihr Butterbrot und die Wasserflasche einpacken, packe ich mir meine Freunde für einen sonnigen Tag im Harz. Natürlich ziehe auch ich nicht ohne Verpflegung los.

In Schierke suchen wir eine gefühlte Ewigkeit nach einem Parkplatz. Da sind wir wohl doch schon fast etwas zu spät dran. Demnach zu urteilen, wie viele Autos hier parken, müsste der Brocken vor lauter Menschen gar nicht mehr zu sehen sein. Wir lassen uns davon nicht unterkriegen, parken auf einem überteuerten Parkplatz und ziehen dann endlich los. Nach zehn Minuten treten die ersten Fragen auf, wann wir denn endlich da sind. Ich lache mir hämisch ins Fäustchen. Der Weg ist mit 4,1 Km (steiler Anstieg) ausgeschildert. Allerdings bin ich diesen Weg vor einem guten Jahr schon einmal gelaufen: Er kommt einem – gerade bergauf – wie mindesten 10 km vor.

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Und so hüpfen wir über die vielen Steine hinweg und lassen uns vom Flussrauschen eine Geschichte erzählen. Die Jungs reißen Witze, verschlingen ihren Proviant während des Gehens, lesen Märchen von Schautafeln vor und irren durchs Unterholz. Vielleicht haben sie versprochen ein paar Zecken von hier mitzubringen. Als Andenken.

Der Weg ist einer der naturbelassensten Wege und das, obwohl hier tagtäglich hunderte von Menschen entlang wandern. Diesmal sehen wir nur selten andere Menschen. Ich genieße die Ruhe und die Natur. Das Lichtspiel, wie die Sonne durch die hohen Nadelbäume fällt. Mitten in mein Gesicht. Das hohle, dumpfe Geräusch, was alle paar Minuten ertönt, wenn einer meiner Freunde mit den Schuhen an den Steinen und Wurzeln hängen bleibt. Und die Stimmen meiner Gefährten. Wären wir zu neunt, dann würde ich mich wie Frodo fühlen.

Wir brauchen 1 1/2 Stunden um die Spitze des Berges zu erklimmen. Nur ist sie gar nicht spitz und erklimmen müssen wir sie auch nicht, da uns die asphaltierte Straße (auf der nun auch die ganzen anderen Menschen zu finden sind) genau hinführt. Kutschen kommen uns entgegen. Fahrradfahrer preschen an uns vorbei. Hier ist Tumult und Trubel. Die Brockenbahn fährt dampfend und zischend in den Bahnhof ein.

„Wenn wir nun auf dem Berg drauf sind, dann können wir sicher das Meer sehen.“ – Fast so sieht es aus. Als wäre hinter dem letzten kleinen Hügel vor uns, das Meer versteckt. Nur steht hier alles Kopf. Der Himmel ist das Meer. So blau und weit, mit all den kleinen weißen Schleierwolken. Unter uns die Felder und Dörfer, der Harz in aller Schönheit. Und der Wind, du meine Güte, der Wind ist wie an der See!

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Brockenweitsicht

Das merke ich auch, als mir ein Kaffee spendiert wird. Während ich versuche den Zucker in den randvollen Becher zu kippen, reißt es mir die Kapuze vom Kopf. Ebenso fliegt der komplette Zucker an meinem Kaffee vorbei. Nach dem zweiten Versuch gebe ich es auf. Ohne einen Schluck getrunken zu haben, scheint mir der Becher nun zehn Schlucke leerer. Mann, Herr Wind, das ist mein Kaffee! Ich habe mir den verdient! Das sieht er wohl nicht so. Denn als wir uns auf den Rückweg machen, saue ich mich erst einmal richtig ein, bis ich den Trick des Rückwärtsgehens erkannt habe. Das muss ein witziger Anblick gewesen sein. Sechs Menschen die mit dem Wind um den Kaffee ringen. Zwei Minuten später war er dann auch so kalt, dass ich mir auch gleich einen Eiskaffee hätte bestellen können. Memo an mich: Bergbesteigung nur noch mit Wollmütze und Termoskanne.

Nachdem wir gecheckt haben, wie weit Oslo und London entfernt sind und ob wir das noch schnell erwandern können, wurde noch ein Gruppenbild von uns geknipst. Selbstverständlich sehen wir darauf gar nicht verfroren und durch den Wind aus. Von Gegenlicht habe ich auch noch nichts gehört. Uns war das egal, wir wollten aus dem Wind raus und den Abstieg wieder antreten. Dieser ging auch wirklich schnell. Sobald wir wieder auf dem steinigen Abstieg angelangt waren (Frodo predigte ja schon: Runter von der Straße!), gab es so etwas wie eine Handbremse nicht mehr. Die Beine wurden immer schneller. Zwei der Übermütigen rasten los. Vielleicht hatten sie aber auch einfach Angst vor den Hexen. Während wir auf einem der großen, flachen Steine die letzten Sonnenstrahlen tankten, lachten sie hämisch über uns. Hexengelächter aus den Baumwipfeln. Wir mussten schnell genug sein, denn langsam waren wir uns sicher, woher die ganzen Steine kamen: Sobald die Sonne hinter den Bergen untergehen würde und den Wald in Dunkelheit taucht, kommen die Hexen auf ihren Besen und verzaubern uns in Steine. Da hatten es aber einige nicht pünktlich wieder zurück zum Auto geschafft…

2 replies to “Expedition Brocken

  1. Wie schaffst Du es nur, so viel auf Tour zu sein? Abflug aus London, „Zwischentrip“ nach Venlo und nun Harzexpedition – ich zähle nur acht Tage dazwischen …

    Den Harz mag ich sehr. Ich war schon dreimal dort, an verschiedenen Orten. Die Landschaft dort ist auf engem Raum sehr vielfältig und für Wandertouren in einem Mittelgebirge verhältnismäßig anspruchsvoll, weil es stets auf und ab geht. Und es gibt viele schöne kleine Städte, Sehenswürdigkeiten, Höhlen, Talsperrren, Bergewerke.

    Auf dem Brocken war ich allerdings noch nicht. Vor zwei Jahren waren wir ganz dicht dran, aber es war schon in Schierke so sehr neblig, dass wir den Aufstieg abgeblasen haben. – Na ja, so haben wir für das nächste Mal schon ein Ziel …

    Schönste Grüße an Dich, Ines!

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    1. Na ja, meine Semesterferien gehen dem Ende zu und voraussichtlich waren dies auch erst einmal meine letzten. Somit musste ich da nochmal möglichst viel unterwegs sein und alles mitnehmen, was sich so ergibt. 🙂

      Der Harz ist auch einer meiner Lieblingsorte in Deutschland. Zusammen mit der Ostseeküste.
      Du hast Recht, der Aufstieg lohnt sich hauptsächlich bei klarem Wetter. (Wie ich hörte, ist das eher selten, daher hatten wir wohl richtig Glück.)
      Aber der Weg alleine lohnt sich auch schon, von daher solltest du dein Ziel weiter festhalten.

      Die schönsten Grüße zurück!

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